Glock: De Vries hat klare Visitenkarte für nächstes Jahr abgegeben
12.09.2022 | 21:20 Uhr
Sky Experte Timo Glock beleuchtet in seiner Kolumne die wichtigsten Themen rund um den Formel-1-Zirkus. Nach dem Italien-GP analysiert er Ferraris Zweistoppstrategie und beleuchtet was die Rookie-Show von Nyck de Vries für den Fahrermarkt bedeutet. Außerdem lobt Glock Mick Schumacher und gibt einen Ausblick auf den GP von Singapur.
Das war definitiv wieder eine Max-Verstappen-Red-Bull-Show! Das Paket ist momentan unschlagbar. Man hatte die Hoffnungen auf einen spannenden Kampf, da Charles Leclerc vor dem Rennen an der Spitze stand - und Verstappen eben nur auf der Sieben. Doch dann war der Red-Bull-Pilot schon nach Runde vier auf Platz zwei und dann hat man schon gesehen, dass er im Vergleich zu Leclerc die bessere Pace hatte. Das hat wahrscheinlich auch Ferrari gemerkt.
Sie mussten dann etwas anderes probieren und haben das auch getan, indem das Virtual Safety Car rauskam und sie dann den Boxenstopp gemacht haben. In der Folge war für Leclerc klar, dass er 40 Runden auf den Medium-Reifen fahren musste. Ferrari hat dann aber auch relativ früh festgestellt, dass sie so oder so keine Chance haben.
Sie mussten dann strategisch noch einmal etwas anderes versuchen: Einen zweiten Stopp, in der Hoffnung auf ein Safety Car. Das ist dann auch gekommen, nur aus Ferrari-Sicht leider zu spät und ohne Re-Start.
Ist die Zweistopp-Strategie von Ferrari somit ein Fehler gewesen? Ich glaube nein. Es kam ja auch der Funkspruch von Red Bull, dass Leclerc mehr Probleme mit dem hinteren linken Reifen als Verstappen hatte. Somit war man einfach den Schritt hintendran und zum Handeln gezwungen.
Klar, man hätte sagen können, "wir probieren es und fahren die gleiche Strategie", aber dann wäre eventuell auch Verstappen noch einmal in die Box gegangen - wenn er gemerkt hätte, dass Leclerc unter Virtual Safety Car nicht zum Boxenstopp geht. Das bringt einem ja ein Vorteil. You never know.
Verstappen kann in Singapur nun Weltmeister werden. Wenn alles normal läuft und Ferrari und Leclerc keine technischen Probleme haben, wird er es dort aber nicht schaffen. Der Ferrari wird in Singapur definitiv gut genug sein, um Zweiter oder Dritter zu werden. Leclerc, Verstappen und auch Carlos Sainz sind da momentan ein bisschen in einer eigenen Liga. Da müsste es schon ein technisches Problem oder einen groben Strategiefehler bei Ferrari geben.
Richtig überzeugt hat am Wochenende in Italien auch ein Rookie: Heimlicher Sieger Nyck de Vries? Definitiv, er hat einen super, super Job gemacht. Für sein allererstes Formel-1-Rennen ins Auto zu springen und dann so abzuliefern, ist schon herausragend. Er hat wirklich einen Top-Job gemacht. Auch im Rennen war er sehr, sehr clever und hat sich in Runde eins aus allem rausgehalten. De Vries hat sofort einen Rhythmus gefunden und ist direkt mit dem Zug mitgefahren. Er hat eine klare Visitenkarte für nächstes Jahr abgegeben.
Es ist in meinen Augen relativ klar, was das für den Fahrermarkt bedeutet. Er war die ganze Zeit schon einer der Kandidaten, hat sich aber natürlich mit so einem Auftritt wie am Wochenende noch einmal deutlicher ins Gespräch gebracht. Der wird jetzt definitiv bei jedem Team auf der Liste auftauchen. Ich bin mir auch sicher, dass wir ihn nächstes Jahr in einem der Autos sehen werden.
Für Mick Schumacher bedeutet das, dass es einen weiteren Konkurrenten für die verbleibenden Cockpits gibt. Das macht es für ihn natürlich nicht einfacher. Er hat in meinen Augen aber auch - vielleicht etwas mehr unter dem Radar - eine ebenfalls tolle Leistung erbracht. Mit 16 Runden am ganzen Wochenende und den vielen Problemen, die er hatte, auf Platz zwölf vorzufahren mit einem Auto, das keinen Speed in Monza hatte, ist wirklich eine gute Leistung. Und seinen Teamkollegen hatte er auch klar im Griff.
Wenn es nach der Safety-Car-Phase zu einem Re-Start gekommen wäre, hätte er auch noch einmal Möglichkeiten gehabt, in die Punkte zu fahren. Er hat keine Fehler gemacht und das Maximum aus seinem Paket herausgeholt.
Dennoch gab es kein klares Bekenntnis von Mattia Binotto von Ferrari zu Mick. Es gibt natürlich auch Gründe, weshalb man sich von beiden Seiten getrennt hat, was die Zusammenarbeit des Junior-Programms angeht. Es ist aber auch klar, dass es von der Seite kein klares Bekenntnis geben kann. Binotto kann sich nicht hinstellen und sagen, dass er für die Teams entscheidet. Am Ende entscheiden ja die Teams, welche Fahrer sie reinsetzen und er kann nur eine Mitempfehlung abgeben.
Aber das zeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Ferrari und Mick Schumacher definitiv Ende des Jahres vorbei ist. Da gibt es dann für Ferrari wahrscheinlich auch keinen Grund, sich zu Mick zu bekennen.
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