Kühnen-Kolumne: Darum ist die GOAT-Frage so schwierig zu beantworten
Die Kolumne von Sky Experte Patrik Kühnen
17.06.2019 | 16:11 Uhr
Sky Experte Patrik Kühnen beleuchtet in seiner Kolumne die wichtigsten Themen aus der Tennis-Welt. Der ehemalige Davis-Cup-Kapitän beschäftigt sich nach dem zwölften Triumph von Rafael Nadal bei den French Open mit der GOAT-Frage und blickt voraus auf die Rasensaison.
Für den erneuten Triumph von Rafael Nadal bei den French Open gibt es nur ein einziges Wort: sensationell! Mit seinem Sieg beim Masters-Turnier in Rom zog seine Formkurve bereits deutlich an,in Paris nun spielte er Sandplatztennis wie es besser kaum möglich ist. Aber was macht ihn in der französischen Hauptstadt so außergewöhnlich stark?
Da kommen viele Faktoren zusammen. Grundsätzlich ist Nadal sehr darauf fokussiert, ständig sein Spiel zu verbessern und neue Elemente zu integrieren. In Paris beispielsweise hat er hin und wieder Serve-and-Volley gespielt und viele seiner Gegner damit überrascht. Seine Rückhand hat er im Laufe der Jahre enorm weiter entwickelt und macht damit mittlerweile viele direkte Punkte.
Sandplatz in Paris kommt Nadal entgegen
Hinzu kommt seine Athletik, er bewegt sich auf Sand phänomenal und hat kaum Schwächen. Für ihn als Spanier besitzt Roland Garros ohnehin eine ganz besondere Bedeutung. Ein weiterer Mosaikstein ist die Beschaffenheit des Platzes, die seinem Spiel sehr entgegenkommt.
Der Sandplatz in Paris ist etwas härter als bei anderen Turnieren, d.h. sein ohnehin schon enormer Spin springt dort noch extremer ab. Dass er nun schon zwölfmal dort triumphiert hat, ist einfach nur beeindruckend. Und dabei muss es nicht bleiben. Wenn Nadal gesund und fit bei den French Open antritt, ist immer mit ihm zu rechnen.
Außergewöhnliche Ära
Ohne Zweifel ist Nadal der beste Sandplatzspieler der Geschichte. Ob er auch der beste Tennisspieler überhaupt ist? Gemessen an der Anzahl der aktuell gewonnen Grand Slam Turniere insgesamt wäre dies Roger Federer. In der "Greatest Of All Time"-Diskussion finde ich es persönlich schwierig, sich auf einen Spieler festzulegen. In diese Diskussion gehören auch Spieler aus vergangenen Jahren, wie z.B. Rod Laver.
Federer (20 Grand-Slam-Titel), Nadal (18), Djokovic (15) und - bis vor seiner Verletzung - Andy Murray (3) haben die großen Titel in den vergangenen Jahren weitest gehend unter sich aufgeteilt. Solch eine Dominanz von vier Spielern hat es in dieser Form vorher noch nie gegeben.
Genau darin liegt für die junge Generation um Dominic Thiem, Alexander Zverev und Co. die Herausforderung: Wann gibt es einen Grand-Slam-Sieger, der nicht Federer, Nadal oder Djokovic heißt? Das ist die Frage, die die Tennis-Szene in Zukunft beschäftigen wird.
Zverev hat richtige Entscheidung getroffen
Die nächste Chance wartet in Wimbledon. Dass Alexander Zverev zur Vorbereitung kurzfristig eine Wildcard für Stuttgart angenommen hat, halte ich für die richtige Entscheidung. Die Rasensaison ist sehr kurz und es ist wichtig, sich schnellst möglich umzustellen. Mit jedem Sieg wächst sein Selbstvertrauen auch auf diesem Belag. Die Gefahr einer Überbelastung sehe ich nicht. Zwar spielt er derzeit viele Turniere, doch im Vergleich zum Vorjahr hat er weniger Matches bestritten.
Neben Zverev hat sich Jan-Lennard Struff in den Vordergrund gespielt. Er spielt derzeit richtig stark und hat in diesem Jahr schon viele namhafte Spieler geschlagen. Ich bin gespannt, wie er mit diesem Selbstbewusstsein nun auf Rasen agieren wird. Auch auf diesem Belag hat er absolut seine Qualitäten. Neben dem starken Aufschlag und seinem schnellen Spiel hat er sich auch am Netz dank seiner Doppel-Einsätze sehr verbessert.
Graf? Man kann nur in Superlativen reden
Apropos Doppel: Besonders gefreut habe ich mich über den Erfolg von Kevin Krawietz und Andreas Mies. Die beiden harmonieren prächtig zusammen, haben eine extrem starke Leistung gezeigt und durch den Sieg nicht nur Geschichte geschrieben, sondern auch die verdiente Aufmerksamkeit bekommen.
Dass die Doppel-Konkurrenz nicht so im Fokus steht wie das Einzel ist nachvollziehbar, doch es gibt viele Fans, die nach wie vor gerne Doppel sehen. Bei einer Reihe von Turnieren wird das Doppel-Finale mittlerweile auch ganz bewusst vor dem Einzel-Finale ausgetragen. Das ist eine gute Maßnahme, um den Wettbewerb aufzuwerten.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zu Steffi Graf, die am Freitag ihren 50. Geburtstag feiern wird. Ich kann nur in Superlativen von ihr sprechen. Sie ist eine der größten deutschen Sportlerinnen der Geschichte und hat mit dem "Golden Slam" - dem Gewinn aller vier Grand-Slam-Titel innerhalb eines Jahres plus dem Olympiasieg - einen Meilenstein für die Ewigkeit gesetzt. Sie ist ein großes Vorbild und eine tolle Botschafterin für den Tennissport.