Trainer Nuri Sahin hat bei Borussia Dortmund nicht nur Befürworter
Der Druck auf Nuri Sahin wächst vor dem Champions-League-Spiel in Bologna. Wer ist pro, wer ist contra BVB-Trainer Sahin?
20.01.2025 | 18:09 Uhr
Der Druck auf BVB-Trainer Nuri Sahin ist immens: das Champions-League-Spiel in Bologna gleicht einem Endspiel! Wie konnte es so weit kommen? Und wie wird der junge Coach, der im Sommer noch Wunsch aller war, klubintern gesehen? Sky erklärt die Sahin-Lager beim BVB.
Von Patrick Berger, Jesco von Eichmann und Thorsten Mesch
Der Druck, der vor dem Match in Bologna auf dem jungen BVB-Coach lastet, ist riesig. Zwar sprach ihm Sportchef Sebastian Kehl nach der 0:2-Pleite in Frankfurt, der dritten in diesem noch jungen Jahr, eine Job-Garantie aus, der neue Boss Lars Ricken stellte aber eine klare Forderung: "Nuri hatte unsere Rückendeckung und wird sie weiter haben. Wir brauchen jetzt aber, und das gehört zur Wahrheit, einfach Siege und Erfolgserlebnisse. Das weiß auch Nuri!"
Der Rückhalt bröckelt also allmählich. Wie wird Sahin, den im Sommer noch alle haben wollten, eigentlich intern gesehen?
Sky erklärt die Sahin-Lager beim BVB.
Watzke und Kehl sind Sahin-Befürworter
Hans-Joachim Watzke setzte sich von Beginn an höchstpersönlich dafür ein, dass Sahin die Nachfolge von Edin Terzic antreten konnte. "Nuri hat alles, um ein ganz großer Trainer zu werden", setzte der BVB-Geschäftsführer noch Ende November im Sky Interview großes Vertrauen in den ehemaligen BVB-Mittelfeldstar. Sahin sei "so ehrgeizig, ich glaube, dass er auch ein paar Titel gewinnen wird", sagte Watzke, der in den letzten Jahren - auch als Sahin in Antalyaspor war - den Kontakt aufrecht hielt. Der mächtige Ober-Boss würde gerne weiterhin an Sahin festhalten, soll sich aber in der Trainerfrage weitestgehend raushalten. Bei einem Sahin-Aus würde automatisch auch die Kritik an Watzke im Umfeld lauter werden.
Auch Sebastian Kehl ist ein Befürworter des Trainers. Zu seinem ehemaligen Mitspieler Sahin hat der frühere Kapitän ein deutlich besseres Verhältnis als zu Terzic. Allerdings ist die Position des Sportdirektors im Klub geschwächt, was die Nicht-Beförderung zum Klub-Boss und die zuletzt zähe Vertragsverlängerung zeigt. Kehl will den Weg mit Sahin weitergehen, sieht vielmehr die Spieler in der Pflicht. Hat er genügend Power, um sich durchzusetzen?
Ricken muss Profil zeigen
Lars Ricken ist grundsätzlich pro Sahin. Der neue Boss sieht aber auch, dass die Ergebnisse ausbleiben und erhöhte nach der Frankfurt-Niederlage den Druck: "Wir müssen nicht ständig analysieren, sondern jetzt Lösungen finden!" Der Trainer ist jetzt also gefragt.
Ricken, als Spieler eine Vereinslegende, sitzt ein bisschen zwischen den Stühlen. Er muss als Sport-Geschäftsführer gerade Profil gewinnen und ist federführend dafür verantwortlich, die Trainer-Entscheidung zu treffen. Als Sahin im Sommer als Trainer feststand, war Ricken, zuvor erfolgreicher Nachwuchs-Chef, noch gar nicht richtig involviert. Er findet, dass Sahin die Mannschaft emotional noch erreicht und sie vor den Spielen gut einstellt. Folgenschwere taktische Fehler, wie etwa in Madrid (2:5), sind aber auch Ricken gewiss nicht entgangen.
Sven Mislintat, der im vergangenen Frühjahr als Technischer Direktor zurückgeholt wurde, soll ein angespanntes Verhältnis zu Sahin haben. Grund waren bereits im Sommer unterschiedliche Auffassungen in Transferfragen, u.a. im Streit um die Personalie Rayan Cherki.
Chefberater Matthias Sammer soll ebenfalls kritisch sein. Der Watzke-Flüsterer sieht zwar die grundsätzliche Ausrichtung der Mannschaft und die fehlende Hierarchie als Hauptprobleme, soll aber auch bei Sahin einige Fehler sehen. Er und Mislintat hätten sich laut SZ intern bereits gegen Sahin ausgesprochen.
Can und Brandt verteidigen den Trainer
Im Spielerkreis gab und gibt es - wie so oft in einer großen Kabine - verschiedene Strömungen. Zur Erinnerung: Im Sommer hatten sich die BVB-Stars noch für Sahin als Terzic-Nachfolger ausgesprochen. Anders als Terzic, der trotz Erreichen des CL-Finales die Kabine fast vollständig verloren hatte, ist der Rückhalt noch überwiegend gegeben. Die Rückendeckung innerhalb der Mannschaft schrumpft aber mit jeder weiteren Pleite.
Mit Emre Can und Julian Brandt hat Sahin u.a. den Kapitän und dessen ersten Stellvertreter auf seiner Seite. Zuletzt redete Sahin die beiden Routiniers immer wieder stark und setzte auf sie - nur zahlten sie es dem jungen Coach bislang noch gar nicht zurück.
Der zu Aston Villa abgewanderte Donyell Malen war kein Fan von Sahin. Der Niederländer hatte allerdings auch schon zu anderen Trainern kein einfaches Verhältnis.
Sabitzer machte Stimmung gegen Sahin
Marcel Sabitzer gilt auch nicht als großer Sahin-Fan, machte in der Anfangsphase der Saison öffentlich Stimmung gegen den Coach, als er sich nach dem Champions-League-Spiel in Brügge beklagte, er spiele auf einer für ihn falschen Position. Das Verhältnis ist nicht erst seit diesem Interview angespannt.
Auch die Beziehung zu Gregor Kobel soll in dieser Saison Risse erlitten haben. Zu Sahins Spielphilosophie zählt der risikobehaftete Aufbau über Kobel, der steil auf Sechser Felix Nmecha passen soll. Mit dem Ball wirkt der Top-Torwart der vergangenen Saison in manchen Phasen unsicher, vor allem, wenn die Mitspieler sich nicht freilaufen und anbieten. Das Festhalten an dieser gewagten Taktik soll das Verhältnis zwischen Keeper und Sahin belastet haben. Das sorgt auch in der Kabine für Diskussionsstoff.
Die vor der Saison von vielen Experten als Top-Transfers gefeierten Pascal Groß, Waldemar Anton und Maximilian Beier - allesamt Nationalspieler - dürften sich zumindest fragen, wieso sie sich nicht weiter entwickeln bzw. unter Sahin noch keine tragende Rolle spielen.
Sahin und der BVB - es gibt innerhalb des Klubs unterschiedliche Lager. Und die Frage: wie lange geht das noch gut?
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