Lame-Duck-Gefahr! Wer geht für Rose jetzt durchs Feuer? Eine kommentierende Analyse
Bei RB Leipzig läuft es seit Wochen unrund und der Druck auf Trainer Marco Rose steigt. Eine Trennung spätestens zum Saisonende wird immer wahrscheinlicher.
03.03.2025 | 14:31 Uhr
Die Frage bleibt: Auf welche Spieler kann sich der Coach ob seiner geschwächten Position überhaupt noch verlassen? Eine kommentierende Analyse.
Blutleer, ideenlos, mental ausgelaugt. Wer RB Leipzig am Samstag beim 1:2 gegen den 1. FSV Mainz 05 gesehen hat, dem fielen nach Abpfiff unter anderem diese Begriffe ein. Die Sachsen wanken, wirken wie ein angeschlagener Boxer, der in den Seilen hängt. Wehrlos mit offener Deckung, weit weg vom Lucky Punch. Anders formuliert: Die Roten Bullen wurden von den Rheinhessen am Nasenring durch die eigene Arena gezogen.
Was im Fußball nach solchen Spielen und Phasen folgt, ist global deckungsgleich. In der Regel nimmt der Cheftrainer seinen Hut. Wie oft haben wir schon vom "neuen Impuls" gehört, den eine gelähmte Mannschaft benötigt. Weltweit wird der verantwortliche Coach in Krisen als erstes öffentliches Opfer auserkoren, wenn ein Klub in eine Abwärtsspirale gerät, Punkte liegen lässt und sich regelmäßig außer Form präsentiert. In Leipzig ist das in dieser Saison anders.
Marco Rose überstand mehrere kritische Phasen. Sei es der Horror-November, als man einen Punkt aus sechs Spielen holte inklusive Negativ-Krönung beim 1:5 zuhause gegen Wolfsburg. Sei es die unbefriedigende Unentschieden-Serie gegen Teams wie Bochum, Union, Augsburg und Heidenheim - oder sei es das katastrophale Aus in der Königsklasse mit dem Grottenkick in Graz (0:1) zum Abschluss. Selbst rund um den Jahreswechsel nach dem chancenlosen Auftritt beim FC Bayern (1:5) hätte man Argumente für eine Trennung finden können.
RB wirkt betäubt
Rose überlebte bis jetzt alle bedrohlichen Momente - auch, weil sein Verhältnis zur Mannschaft intakt ist. Im angesprochenen November stützten ihn seine Spieler intern und extern. Bezeichnend: Der Torjubel im ersten Rose-Endspiel beim 3:0 gegen Eintracht Frankfurt. Es war die beste Saisonleistung im heikelsten Augenblick der Saison.
Ein paar Monate später ist die Lage noch angespannter. RB steht zwar im Pokal-Halbfinale, rutschte in der Liga aber auf Rang sechs ab. Ja, es sind nur drei Punkte Rückstand auf CL-Platz vier - allerdings sind es auch nur drei Zähler Abstand auf Tabellenplatz zehn. Von allen beteiligten Teams ist Leipzig die mit Abstand formschwächste Truppe. RB ist angeschlagen, der Kopf arbeitet anders als die Füße wollen, man ist blockiert, teilweise betäubt. Auch der Pokalerfolg gegen Wolfsburg brachte keinen Aufwind.
Verpassen Xavi, Lois Openda & Co. die Champions League, gehen RB 60 bis 70 Millionen Euro an Einnahmen flöten. Aufgrund des reformierten Wettbewerbs schüttet die UEFA mehr Prämien aus als zuvor. Europa oder Conference League als Alternative? Nicht vorstellbar und weit weg vom eigenen Anspruch der Sachsen. Die Kaderplanung würde massiv beeinflusst werden.
Erschreckende Zahlen
1,63 Tore pro Spiel in der Bundesliga, so ungefährlich war man zu diesem Zeitpunkt noch nie. Durchschnittlich sind es 1,58 Punkte pro Begegnung. Noch schlimmer: Seit Jahresbeginn holte Roses Mannschaft nur elf Punkte! Der FC Bayern ist 23 Zähler weit entfernt - dreiundzwanzig! In Leipzig hat man bislang Trainer für deutlich weniger Negativ-Argumente entlassen. Warum darf Rose trotz der erschreckenden Zahlen aus den vergangenen Wochen und Monaten weitermachen?
Im Dezember einigte man sich intern darauf, mit dem gebürtigen Leipziger die Saison beenden zu wollen. Während der Rückrunde und nach der Saison würde man bewerten und analysieren - geht es mit Rose weiter oder trennt man sich nach Spieltag 34 fair. Dieses alarmierende Leistungsloch war im Agreement allerdings nicht vorgesehen. Und dennoch sprachen die Bosse um Jürgen Klopp, Marcel Schäfer, Oliver Mintzlaff und Mario Gomez erneut das Vertrauen aus. Ein letztes Mal? Bislang umgehen die Roten Bullen eine Interimslösung.
Die Lage ist kompliziert: Mit Rose hat man einen Trainer bis 2026 unter Vertrag, der mehrfach seine Klasse nachgewiesen, dem Verein schon zwei Titel bescherte, der einen guten menschlichen Draht zur Mannschaft hat und sich voll und ganz mit Verein und Stadt identifiziert. Auf dem Papier ein perfect match. Die Krise lässt diese Fakten aber bedenklich wackeln!
Welche Interimslösung würde man jetzt bis Saisonende finden? Der Aufgabenbereich für drei Monate würde vorsehen: Mannschaft endlich aufwecken, CL-Quali schaffen, Pokalsieg in Berlin feiern. Aber ab Sommer soll er nach diesen Erfolgen dann bitte wieder abtreten, denn dann soll ein Umbruch mit einem neuen Coach folgen. Auch deshalb geht es mit Rose weiter, der dadurch aber zur Lame Duck wird. Hat er diese Begleitumstände verdient? Nein! Liefert er Argumente und Ergebnisse, sodass nicht kritisch über ihn diskutiert werden kann? Auch das muss man verneinen!
Wunschlösung Hoeneß
Aus Leipziger Sicht ist Sebastian Hoeneß, derzeit mit Ausstiegsklausel beim VfB Stuttgart unter Vertrag, die absolute Top-Option. Roger Schmidt (vereinslos) und Oliver Glasner (Crystal Palace) sind mögliche Alternativen. Aber: Keiner dieser Trainer ist JETZT zu bekommen - zwar ist Schmidt ohne Klub, schloss zuletzt aber unmissverständlich ein Engagement während der Saison aus.
Jetzt wird der geneigte Leser auf dem Sofa sagen: Warum macht es nicht der Klopp selbst bis zum Sommer? Der kann das doch übernehmen... Diese Idee dementierte Klopp aber prompt bei seiner Antritts-Pressekonferenz. "Ich werde kein Trainer eines Red-Bull-Teams sein", so der 57-Jährige vor anderthalb Monaten. Ausgeschlossen, dass er nach diesem Satz dann ausgerechnet seinen Kumpel Rose beerbt. Die Klopp-Option kann man also fett durchstreichen.
Und nun? In Leipzig verfügt Nachwuchsleiter Manuel Baum über die Fußballlehrer-Lizenz, könnte als Interimslösung einspringen, wenn er gefragt wird und man keinen externen Trainer holen möchte.
Endspiel 2.0?
Aber: Noch ist Rose im Amt, kämpft weiter um seinen Job und will mit seinem mental müden Team die Wende packen. Die kommende Aufgabe kann dabei zum Schicksalsspiel werden. RB trifft am Samstagabend auswärts auf den SC Freiburg. Dem 48-Jährigen hilft jetzt nur ein positives Ergebnis. Und da sind auch und vor allem seine Jungs auf dem Platz gefragt. Denn für unbedrängte Fehlpässe, Flanken hinters Tor, verlorene Zweikämpfe und individuelle Patzer kann der Coach nur bedingt etwas. Welche Spieler krempeln die Ärmel hoch, gucken an die Seitenlinie und gehen für ihren Trainer durchs Feuer? Wer sind jetzt die Mentalitätsmonster? Wer bäumt sich auf? Wer opfert sich für den Nebenmann?
Die Mannschaft steht genauso in der Verantwortung wie der Trainerstab. Nur mit dem Finger auf Rose zu zeigen, ist einfach, aber falsch. Fußball lässt sich nicht ausschließlich auf Mentalität begrenzen. Sie ist ein Bruchteil neben vielen Faktoren - aber der Ursprung, die Säule, das Fundament eines jeden Erfolgs. Mentalität ist kein Allheilmittel. Aber durchaus ein Rezept, um wieder zu sich zu finden. Leipzigs Stars müssen sich der Situation jetzt stellen. Ansonsten versinkt man in der Bedeutungslosigkeit. Frei nach Oliver Kahn: "Eier, RB braucht Eier!"
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