"Bei Müller muss der Verein entscheiden"
30.11.2023 | 15:02 Uhr
In seiner Kolumne blickt Dietmar Hamann auf das Abschneiden der deutschen Klubs in der Champions League.
Die Siegesserie des FC Bayern in der Gruppenphase der Champions League ist mit dem 0:0 gegen den FC Kopenhagen gerissen. Hinter den Münchnern liegen unheimlich intensive Wochen. Wenn du schon Gruppensieger bist und dann mal einen Schritt weniger machst, ist das nur menschlich.
Dass die Bayern hinten kein Tor kassiert haben, lag auch an Manuel Neuer. In den Spielen seit seinem Comeback sah alles wunderbar aus. Er ist allerdings bisher auch nicht in einem Spiel geprüft worden, in dem die Bayern richtig unter Druck standen. Wenn Neuer gesund bleibt, wird er in der K.o.-Phase und in der Bundesliga als wichtiger Rückhalt gebraucht. Beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft.
Im Gegensatz zu Neuer, der gerade bis 2025 verlängert hat, läuft der Vertrag von Thomas Müller beim FC Bayern nur noch bis 2024, und er ist schon lange kein Stammspieler mehr. Gegen Kopenhagen durfte er mal wieder von Beginn an ran, doch die Dänen waren ein unangenehmer Gegner und es war ein undankbares Spiel für ihn. Das ändert aber nichts an Müllers Gesamtsituation.
Er wird in Zukunft sicher nicht häufiger spielen, als es in den vergangenen Monaten unter Thomas Tuchel der Fall war. Ob man mit Müller weitermachen will, diese Entscheidung muss vor allem der Verein treffen. Du kannst nicht immer nur den Trainer reden lassen, um ständig Fragen oder Spekulationen abzuwehren. Tuchel braucht die Unterstützung der Verantwortlichen.
Man muss sich mit Müller zusammensetzen und ihn fragen, ob er happy ist, wenn er pro Saison nur noch 15 bis 20 Spiele macht. Wenn er "Ja" sagt, müssen Verein und Trainer abwägen, ob sie das auch wollen, denn bei 50 Pflichtspielen wird dann vielleicht 30 oder 35 mal die Frage kommen, warum Müller nicht gespielt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass der Verein oder der Trainer Bedenken haben, wenn das noch ein Jahr lang so weitergeht. Dieses Thema muss man sachlich und pragmatisch angehen und versuchen, soweit es geht, die Emotionen rauszulassen.
Bei Spielern mit einem so hohen Stellenwert gibt es keinen richtigen Zeitpunkt, um "Auf Wiedersehen" zu sagen, aber es gibt mit Sicherheit einen falschen. Bei Ribery und Robben hat man vielleicht ein Jahr zu lange gewartet und Müller wird nicht jünger. Sein Denkmal bröckelt nicht, es wird immer bestehen, aber mit 34 ist er im Spätherbst seiner Karriere. Er kann kundtun, dass er gerne noch ein Jahr bleiben würde, aber die Entscheidung muss der Verein treffen.
Borussia Dortmund hat durch den 3:1-Sieg in Mailand vorzeitig das Achtelfinale erreicht. Nach den ersten beiden Spielen (0:2 in Paris und 0:0 gegen Milan) hätte ich es nicht für möglich gehalten. Jetzt würde ich sogar so weit gehen zu sagen: das vorzeitige Weiterkommen ist eine Sensation. Hans-Joachim Watzke hat es am Sonntag auf der Jahreshauptversammlung gesagt: In dieser Gruppe spielen die Dortmunder gegen Staaten (gemeint sind PSG und Newcastle, die aus Katar, bzw. Saudi-Arabien finanziert werden), und dass sich die "kleinen" Dortmunder nach fünf Spielen als einziges Team schon qualifiziert haben, ist sensationell - und sie haben es sich verdient.
Gegen PSG geht es in zwei Wochen für den BVB um den Gruppensieg. Es ist ein großer Unterschied, ob du im Achtelfinale als Erster gegen Eindhoven oder als Zweiter gegen Arsenal spielen musst. Lassen wir uns überraschen, es wird ein geiles Spiel.
Mats Hummels war in Mailand überragend, einfach Weltklasse. Wenn du hinten so stabil stehst, auch Schlotterbeck hat seine Sache sehr gut gemacht, gibt das auch den Offensivspielern mehr Sicherheit und Selbstvertrauen. Es war eine runde Mannschaftsleistung, die viel Spaß gemacht hat. Ich habe mich oft über den BVB geärgert, aber das war ein Genuss und Fußball aus dem Lehrbuch, wie du in Europa auswärts zu spielen hast. Bei aller Freude dürfen wir aber nicht vergessen, dass auch Mats schon 34 ist und im Dezember 35 wird. Solche Leistungen kannst du in diesem Alter nicht alle drei Tage bringen.
Das Spiel in Mailand hat auch gezeigt, wie wichtig Jamie Bynoe-Gittens, Karim Adeyemi und Donyell Malen sind. Meiner Meinung nach müssen zwei dieser drei Spieler immer zusammen auf dem Platz stehen, denn mit ihnen sind Dortmunder eine andere Mannschaft, das BVB-Spiel hat durch ihr Tempo eine komplett andere Statik. Beim 0:4 gegen Bayern und beim 1:2 in Stuttgart stand jeweils nur einer von ihnen in der Startelf. Wenn diese drei Jungs fit bleiben, wird es für Julian Brandt möglicherweise schwer, seinen Platz zu behaupten.
Am Sonntag bei den sehr ballsicheren und spielstarken Leverkusenern könnte ich mir vorstellen, dass die Dortmunder erst einmal etwas tiefer stehen. Bis zum gegnerischen Tor sind es dann 50, 60 Meter - und dann brauchst du schnelle Leute. Ob in Leverkusen, im Pokal in Stuttgart oder gegen Paris: zwei der drei müssen spielen.
RB Leipzig hat es in Manchester eine Halbzeit lang hervorragend gemacht, doch dann wurden sie von der hellblauen Walze überrollt. So bei City zu verlieren, ist anderen auch schon passiert und keine Schande. Zuletzt hatten sie 3:6 und 0:7 bei City verloren - von daher war das 2:3 ein Schritt nach vorne. Die beste Nachricht für die Leipziger ist, dass sich Xavi Simmons keine schlimme Verletzung zugezogen hat, denn er und Lois Openda müssen die RB-Offensive ohne den verletzten Dani Olmo am Laufen halten.
Union Berlin hätte mit einem Sieg in Braga eine gute Ausgangsposition gehabt, um in der Europa League zu überwintern. Auch wenn sie in Überzahl die Führung verspielt haben, vielleicht ist es für Union gar nicht so schlecht, wenn sie im kommenden Jahr nicht mehr international spielen. Dann können sie sich auf den Abstiegskampf in der Bundesliga konzentrieren.
Mit Paris und Manchester United droht zwei Hochkarätern das Aus in der Gruppenphase. ManUnited ist ein Schatten seiner selbst. Die Mannschaft ist nicht zu Vergleichen mit den großen Teams unter Sir Alex Ferguson. Fürs Weiterkommen müssten sie Bayern schlagen, das ist aus meiner Sicht fraglich. Und wenn es zwischen Kopenhagen und Galatasaray einen Sieger gibt, ist Manchester draußen.
PSG wurde gegen Newcastle ein Elfmeter geschenkt und sie können in Dortmund aus eigener Kraft weiterkommen. Doch das wird alles andere als ein Selbstläufer. Für Paris wäre das Ausscheiden eine Katastrophe. Die ganzen Millionen und Milliarden wurden ausgegeben, um die Champions League zu gewonnen. Sie waren 2020 einmal im Finale, aber das ist angesichts der Investitionen viel zu wenig.
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