Kühnen-Kolumne: Kein One-Hit-Wonder! Gauff wird die nächste Tennis-Queen
Die Kolumne von Sky Experte Patrik Kühnen
08.07.2019 | 17:04 Uhr
Halbzeit in Wimbledon: Sky Experte Patrik Kühnen analysiert in seiner Kolumne das schwache Abschneiden der Deutschen, befasst sich mit dem 15-jährigen Wunderkind Cori Gauff und nennt seine Favoriten auf den Wimbledon-Sieg.
Was war das für eine erste Wimbledon-Woche! Novak Djokovic, Roger Federer und Rafael Nadal sind mal wieder nicht zu stoppen, bei den Damen sorgt mit Cori Gauff eine 15-Jährige für die Story des Turniers und dann gab es nicht einen einzigen Regentropfen. Dafür aber leider einen großen Wermutstropfen: Erstmals seit 2015 hat es kein Deutscher in die zweite Woche geschafft.
Natürlich ist die Enttäuschung darüber groß, schließlich ist Wimbledon das bedeutungsvollste Turnier. Allerdings muss man es individuell betrachten. Alexander Zverev befindet sich derzeit in einer äußerst schwierigen Situation. Der Rechtsstreit mit seinem Ex-Manager Patricio Apey belastet ihn sehr, das wurde auf der Pressekonferenz nach seiner Niederlage gegen Jiri Vesely mehr als deutlich.
Zverev ist nicht frei im Kopf
Wenn abseits des Platzes Nebengeräusche und Störfaktoren vorhanden sind, dann ist es schwer, seine optimale Leistung abzurufen. Gegen den Tschechen, der gut und clever gespielt hat, hat Zverev, bis auf die ersten anderthalb Sätze, nie wirklich zu seinem Spiel gefunden und es war deutlich zu erkennen, dass er im Kopf nicht frei war.
Ich hoffe, dass die Situation schnell geklärt wird, damit sich Zverev wieder voll und ganz auf den Tennissport konzentrieren kann.
Überrascht hat mich auch das frühe Ausscheiden von Angelique Kerber, denn eigentlich hatte sie eine erfolgreiche Wimbledon-Vorbereitung und ist mit dem Sieg gegen Tatjana Maria gut ins Turnier gestartet. Doch gegen Lauren Davis war sie viel zu kurz in ihren Schlägen, hat zu defensiv gespielt und ihre Stärken kamen nicht zu Geltung.
Mit ihrem Biss und Siegeswillen hat sie in der Vergangenheit solche Matches oftmals noch für sich entscheiden können, doch wie sie selbst im Anschluss sagte, fehlte ihr die Energie.
DTB-Bilanz nur eine Momentaufnahme
Aus deutscher Sicht gab es aber auch ein paar Lichtblicke: Jan-Lennard Struff hat ein starkes Turnier gespielt. Gegen Michail Kukushkin sind leider einige Big Points, die er zuvor gemacht hatte, nicht zu seinen Gunsten ausgefallen. Und Julia Görges ist in der dritten Runde gegen eine Serena Williams ausgeschieden, die ganz anders auf den Platz gekommen ist, als noch in den Runden zuvor, und auch deutlich stärker gespielt hat.
ZUM DURCHKLICKEN: Die Wimbledon-Siegerinnen der letzten zehn Jahre
Aus meiner Sicht muss man sich daher noch keine allzu großen Sorgen um das deutsche Tennis machen. Es ist eine Momentaufnahme, bei den US Open sieht es hoffentlich schon wieder anders aus.
Mal sehen, wie viele Geschichten Cori Gauff bis dahin noch schreiben wird. Was das 15-jährige Ausnahmetalent in der ersten Wimbledon-Woche geleistet hat, ist sensationell. Die US-Amerikanerin wandelt ein bisschen auf den Spuren von Martina Hingis, die im Alter von 16 Jahren die Nummer eins war und Wimbledon gewonnen hatte.
Halep gegen Gauff favorisiert
Gauff begeistert die Massen mit ihrer Unbekümmertheit und es ist bemerkenswert, welche Reife sie in diesem Alter mitbringt. Sie äußert ganz klar ihre Ziele und weiß genau, wo sie hin will - nach ganz oben. Dafür braucht man natürlich ein gutes Umfeld, gerade wenn man so jung schon so erfolgreich ist.
Betreut wird sie von Federers Vermarktungsagentur "Team 8". Zusammen mit ihren Eltern werden sie sicherlich dafür sorgen, dass die Entwicklung weiter ganz in Ruhe stattfinden wird.
In diesem Zusammenhang erachte ich die Regel der WTA auch für sinnvoll, dass man als 15-Jährige maximal zehn Turnier im Jahr spielen darf, immerhin geht Gauff noch zur Schule. Ich bin mir sicher, dass Gauff die nächste Tennis-Queen wird. Die Voraussetzungen sind allemal gegeben.
Spannend wird zu sehen sein, wie sie im Achtelfinale gegen Halep spielen wird. Für mich ist die Rumänin Favoritin, auch wenn Rasen nicht ihr bester Belag ist. Sie hat sich auf dem grünen Untergrund deutlich verbessert und hat durch ihre Erfahrung gegen Gauff Vorteile.
"Big Three" sind unantastbar
Die Top-Favoritinnen auf den Titel sind für mich aber Ashleigh Barty, Serena Williams und vielleicht auch Petra Kvitova. Wenn Williams und Barty ihre Achtelfinals gewinnen, kommt es im Viertelfinale zum direkten Duell. Das könnte ein absolutes Highlight werden.
Bei den Herren haben Djokovic, Federer und Nadal in bravouröser Manier erneut unter Beweis gestellt, dass sie immer noch über dem Rest des Feldes stehen. Ich gehe davon aus, dass einer aus dem Trio Wimbledon-Champion werden wird. Allein bei dem Gedanken an ein Halbfinale zwischen Federer und Nadal steigt bei mir jetzt schon die Vorfreude auf die zweite Woche.
ZUM DURCHKLICKEN: Die Wimbledon-Sieger der letzten zehn Jahre
Am Montag geht's aber zunächst einmal weiter mit dem "Manic Monday". Alle 16 Achtelfinals an einem Tag - Tennis-Herz, was willst du mehr!