Ruhe in Frieden, lieber Christoph Daum!
25.08.2024 | 13:57 Uhr
In seiner Kolumne erinnert sich Sky Kommentator Wolff Fuss an Christoph Daum, mit dem er so einiges erlebte.
Christoph Daum ist gestorben. Für Trainer und Menschen wie ihn ist die Begrifflichkeit 'schillernd' erfunden worden. Er war vielleicht sogar der erste seiner Art. Jedenfalls der erste, den ich persönlich erlebt habe. Er war laut, er liebte das Spiel mit den Medien.
Er konnte ein Stadion "anzünden". Einem jungen FC-Fan gab er bei einem Familienausflug nach Köln ein Autogramm ins Poesiealbum. Mir. Später in Stuttgart war er einfach nur "der Chrischdoff". In Köln begann er, das Establishment der Bundesliga zu provozieren. Mit vollem Bewusstsein. Er wurde erst fast Meister und dann entlassen.
Meister wurde er in Stuttgart. Immer hoch gepokert, oft auch viel verloren. In Köln verlor er das Fernduell gegen Heynckes/Hoeneß. In Stuttgart folgte auf die Meisterschaft der Wechselfehler gegen Leeds. Mit Leverkusen gabs ein Unterhaching, zwischen ihm und dem Bundestraineramt stand eine Haaranalyse. Messias ist er trotzdem geblieben, zumindest in Köln.
Seine Antritts-Pressekonferenz aus dem Krankenhaus vor seinem zweiten Engagement ist Kult. Patienten in Ballonseide, ihren Tropf durch die Gänge schiebend, dienten als Kulisse für dieses skurrile Medienspektakel. Wochen später im Stadion bei seiner Vorstellung wurden ihm Kinder zur Segnung gereicht. Er stieg auf mit den Kölnern, hatte vor dem letzten Spieltag intern allerdings sehr konkret mit seinem Abschied geliebäugelt.
Ich kommentierte für Premiere (Vorgänger-Name von Sky; Anm.d.Red) das letzte Saisonspiel in Köln gemeinsam mit Bodo Illgner. Nach dem Sieg kam er hoch zu uns auf die Pressetribüne. Das Spielfeld war längst von den Anhängern übernommen worden. Der Messias blickte auf sein Volk, breitete die Arme erst aus, legte sie dann um uns und sprach in unser beider Ohren: Guckt euch das an, ich bring's nicht übers Herz den Klub jetzt zu verlassen. Er blieb. Noch ein bisschen.
In der Türkei traf ich ihn beim Champions-League-Spiel Fenerbahce gegen Chelsea. Er war Experte für Premiere. Ich weiß das deshalb so genau, weil er mich an diesem Tag das erste und einzige Mal küsste. Als er die Arena betrat, erhoben sich 50.000 Menschen von ihren Plätzen und feierten Christoph Daum. Das kannte ich bis dahin im Ausland nur von Franz Beckenbauer. Er küsste jeden auf die Wange, der sich ihm in den Weg stellte. An unserer Kameraposition am Spielfeldrand erst Rollo Fuhrmann, dann mich. Dass uns diese fast schon intime Nähe verbindet, war mir so bis dahin gar nicht bewusst.
Vergleichbar nah kamen wir uns erst wieder, als wir uns Jahre später in die Arme schlossen, nachdem er mir den Preis als bester Live-Kommentator des Jahres überreicht hatte. Seine vorangegangene Laudatio war rührend, voller Wertschätzung und für mich größer als der Preis als solches. Er hat in dieser Fußball-Branche etwas geschaffen, was nur den wenigsten gelingt. Er war zu Lebzeiten so groß, dass alle eine Meinung zu ihm hatten. Bei einem streitbaren Geist wie ihn gab es nur schwarz oder weiß. Sein Tod macht nun die ganze Fußballgemeinde betroffen.
Welch ein Lebenswerk! Ruhe in Frieden, lieber Christoph Daum!
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