Real unter Alonso: Immer gewinnen müssen - diesmal wirklich!
Die Erwartungen an Real Madrids neuen Trainer Xabi Alonso sind hoch. Der ehemalige Real-Profi weiß genau, wie der größte Klub der Welt tickt und tritt seinen Job mit besten Referenzen an. Er ist das perfekte Match für Real, meint Alonso-Experte Tim Stegmann.
18.06.2025 | 13:12 Uhr
Zudem erklärt er, wie Alonso das Spiel der Königlichen verändern könnte und welche Spieler von ihm profitieren könnten.
Von Tim Stegmann (*)
Real Madrid - der größte Klub der Welt - lebt nach einer Maxime, die in jedem Augenblick ausgestrahlt wird: Das Wichtigste ist, zu gewinnen!
Xabi Alonso kennt diese Erwartungshaltung aus seiner Zeit als Spieler der Madrilenen, in der er außerdem die pragmatische Antwort seines damaligen Trainers kennen und schätzen gelernt hat. In seiner Anfangsphase in Leverkusen, als es zunächst darum ging, der Mannschaft Stabilität und Sicherheit (durch Resultate) zu vermitteln, hat Alonso bewiesen, dass er auch auf Ergebnis spielen kann.
Bei den Königlichen ist die Art und Weise nicht immer das Wichtigste - solange am Ende die Siegesbilanz stimmt. Eine ungeschlagene Meistersaison wie im zweiten Jahr in Leverkusen wäre ganz nach dem Geschmack und dem Selbstverständnis von Real-Präsident Florentino Perez.
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Eine Besonderheit, die man schnell kennenlernt, wenn man sich um Umfeld von Real Madrid bewegt, ist das riesige Selbstvertrauen, dass alle "Madridistas" ausstrahlen, selbst wenn ein Spiel komplett in die andere Richtung läuft. Selbst wenn es zu Beginn der Nachspielzeit noch 2:0 für den Gegner steht, glaubt jeder im Stadion (oder der für den Klub arbeitet), dass Real noch mindestens unentschieden spielt. Dies gilt auch für die Nachwuchsmannschaften!
Bei Bayer Leverkusen hat Xabi Alonso bereits diese Haltung und diesen Glauben implementiert, Spiele auch ganz spät noch herumreißen zu können und penetrant weiter an sich selbst zu glauben, bis es wirklich klappt. In dieser Hinsicht ist der neue Real-Coach das perfekte Match für die selbstbewussten Königlichen!
Wie wird er die Stars disziplinieren?
Auch die Disziplin und das sportliche Verhalten der "Blancos" war in der Vergangenheit nicht immer vorbildlich (Ausraster Rüdiger im Pokalfinale gegen Barca). War in Leverkusen Xabi Alonso der bescheidene Weltstar, an dem sich alle (auch die Spieler) orientiert haben, dürfte es nun auch auf die Überzeugungskraft jenseits des eigenen Erfahrungsschatzes ankommen. Für den Teamplayer Alonso ein herausforderndes Unterfangen, das in jedem Fall konsequentes Handeln erfordern wird.
Wie verändert sich das Spiel?
Real Madrid war der letzte große "Spieler-Klub" im modernen Fußball. Ohne die Leistungen und den Einfluss von Carlo Ancelotti und seinem Staff klein reden zu wollen, erfüllte "Don Carlo" die Klub-Maxime, nach der die Spieler am größten sind und es kein wichtigeres Ziel gibt, als die "freie Entwicklung des individuellen Talents" zu gewährleisten.
Dies führte in der Vergangenheit mitunter zu der Wahrnehmung, dass Real Madrid keinen wirklich eigenen Spielstil hätte, solange das Ergebnis am Ende stimme. Dies ist natürlich Unsinn - dennoch ist zu erwarten, dass die Spielidee von Xabi Alonso für mehr Klarheit bei allen sorgt.
Auch für Xabi Alonso geht es darum, dass die individuellen Qualitäten der Spieler maximal zum Vorschein kommen - nur eben im Sinne des Kollektivs. In diesem Sinne wird spannend zu sehen sein, welche Transfers Real Madrid noch tätigen wird. Mit Trent Alexander Arnold wurde bereits ein interessantes Profil verpflichtet, der eine ähnliche Rolle wie Grimaldo seinerzeit in Leverkusen einnehmen könnte. Dean Hujsen verfügt als spanische Nationalspieler über die nötige Qualität, um das Spiel auch von hinten heraus perfekt aufbauen zu können.
Welche taktischen Aspekte sind zu erwarten?
Angebote im Rücken des Gegners mit dem Fokus, einerseits das Zentrum zu überladen, anderseits durch geduldiges Passspiel das Spiel zu kontrollieren, um dann durch konsequentes Vorwärtsspielen Gegner aus dem Spiel zu nehmen. Möglich wäre eine auch schon in der Vergangenheit praktizierte Rolle von Jude Bellingham als "falsche 9", um dann Räume für die schnellen Vinicius Junior und Kylian Mbappe aufzuziehen.
Auch schnelle Spielverlagerungen könnten dafür ein Mittel sein, nach dem der Gegner zunächst auf einer Seite durch Ballbesitz und viele Spieler gebunden wurde. Im Pressing ist ein direktes und etwas verbindlicheres Auftreten zu erwarten: Neben dem maximalen Druck, den die dynamische erste Reihe von Real Madrid erzeugen kann, galt bereits bei Leverkusen der Ansatz, den Gegner auf eine Seite zu drängen, um dann ballnah Zugriff zu erzeugen und frühe Ballgewinne zu erzwingen. Gleichzeitig gab es auch bei Leverkusen immer wieder Momente, aus denen die Spiele aus einer guten, defensive Grundorganisation kontrolliert wurden. Hier könnte sich bei Real Madrid der Perfektionismus von Alonso auszahlen, um dann mit viel Raum, die Gegner auszukontern.
Welche Spieler könnten am Meisten von Xabi Alonso profitieren?
Auch wenn im Umfeld von Real Madrid selten zu viel Geduld für Entwicklungsprozesse herrscht (außer, die Entwicklung findet nicht zu Lasten des Ergebnisses statt), kann über die folgenden drei Spielerrollen spekuliert werden:
• Brahim Diaz - der Marokkaner, der in seiner Jugend bereits in den spanischen U-Nationalmannschaften für Furore sorgte, bekam in der Vergangenheit wenig Spielzeit. Mit seinem Profil, seiner Wendigkeit und seiner Dribbelstärke ist er in der Lage, ein Unterschiedsspieler wie Florian Wirtz zu sein. Möglich, dass er durch den Raum zwischen den Linien, den Xabi Alonso in der Offensive kreieren wird, besonders profitieren wird.
• Arda Güler - der talentierte, junge Türke hat bereits mehrfach angedeutet, welch großes Potenzial in ihm steckt. Möglich, dass auch er in einer variableren, besser interagierenden Offensiv-Abteilung eine wichtige Rolle spielen wird.
• Dani Ceballos - der Spanier, der in der U21 unter dem heutigen Trainer der Seleccion, Luis de la Fuente, als Kapitän die EM gewinnen konnte, schaffte es in der Vergangenheit nicht, sich vollends durchzusetzen. Derzeit fehlt im Kader der Madrilenen allerdings ein Rhythmus-Spieler - eine Rolle, die nach dem Abschied von Luka Modric scheinbar den Franzosen Tchouameni und Camavinga nicht zugetraut wird. Ceballos, der in der Lage ist, diese Rolle typisch "spanisch" im Zentrum auszufüllen, könnte seinen Lehrmeister in Xabi Alonso finden und damit sein Spiel auf ein neues Level bringen. Denkbar ist auch, dass die Klub-WM in einigen Bereichen des Kaders als Testlauf gesehen wird und erst im Verlauf des Sommers durch weitere Transfers weiter aufgerüstet wird.
Die Erwartungshaltung ist klar: TITEL, TITEL, TITEL!
Real Madrid blickt zurück auf eine Saison zum Vergessen. Das Selbstverständnis der eigenen "Grandeza" (Großartigkeit) wurde weder innerhalb Spaniens noch in der "Haus-und-Hof-eigenen" Champions League erfüllt.
Die Erwartungen an Xabi Alonso sind hoch - und die Einarbeitungszeit ist knapp bemessen! Doch wenn es jemandem zuzutrauen ist, diese komplizierten Aufgaben zu meistern, dann sicher dem charismatischen, fleißigen, bodenständigen Basken, der in Deutschland schon einmal gezeigt hat, dass er auch als Trainer ein echter Champion ist!
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(*über den Autor: Tim Stegmann, aktuell Verbandssportlehrer in Hamburg, ist Experte für spanischen Fußball und speziell für Xabi Alonso. 2024 brachte er das Buch "Xabi Campeon" heraus. Darin geht es um den Spielstil und die taktischen Details von Xabi Alonsos Fußball.)
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