Nach dem fulminanten Sieg im Playoff-Finale wird Luton Town zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in der Premier League spielen. In neun Jahren stieg der Verein fünf Mal auf. Vom Niemandsland auf die größte englische Bühne: Es ist eine märchenhafte Geschichte.
Rund 50 Kilometer nördlich von London liegt die Kenilworth Road, die Heimstätte des frisch in die Premier League aufgestiegenen Klubs Luton Town. Das Stadion fast aktuell 10.356 Zuschauer. Es wäre damit das Kleinste in der Geschichte der höchsten englischen Liga.
Ein Stadion als Touristenattraktion
Spektakulär ist das Stadion nicht nur aufgrund seiner Kapazität, den Holzsitzen und Plastikbänken sowie den engen Spielertunneln. Auch der "Oak Stand", eine Tribüne als Touristenattraktion, ist legendär: Auf dem Weg ins Stadioninnere kommen Zuschauer an den Hintergärten der Häuser an der Straße vorbei. Die Kenilworth Road ist nicht nur geschmückt von Schmuckstücken für Fußballromantiker, sondern auch mit einer märchenhaften Erfolgsgeschichte.
In einem hochdramatischen Finale der Championship-Playoffs zwischen Coventry City und Luton Town fiel die Entscheidung erst im Elfmeterschießen. Nachdem Fankaty Dabo für Coventry als sechster Schütze vergab, brachen bei Luton im Wembley-Stadion alle Dämme.
Luton Town mit Absturz in die Irrelevanz
In Wembley, wo Luton einst 1988 den großen FC Arsenal im EFL-Cup-Finale schlug und zu dieser Zeit in Englands erster Liga spielte, vollendeten die Hatters (übersetzt "die Hutmacher") das Fußballmärchen, das vor zehn Jahren keiner für möglich gehalten hätte - und heute immer noch keiner so richtig glauben will.
Kurz vor Gründung der Premier League 1992 stieg Luton Town ab, spielte fortan nur noch in der zweiten und dritten Liga. Nach einem Abstieg in die vierte kämpfte sich der Verein 2005 noch einmal bis in die zweithöchste Spielklasse zurück, doch dann folgte der freie Fall: Innerhalb von drei Jahren rutschte Luton in die fünfte Liga, die nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich der English Football League (EFL) fällt und als semi-professionelle Spielklasse angesehen wird.
Finanzielle Probleme und ein Rekord-Abzug von 30 Punkten sorgten 2008 für den Gnadenstoß von der vierten in die fünften Liga. Bis heute prangt am Main Stand der Kenilworth Road ein Banner mit der Aufschrift "betrayed by FA".
Fünf Aufstiege in neun Jahren
Doch der Ärger über die einstige Schieflage dürfte momentan bei den meisten Fans zumindest vorerst verflogen sein. 2014 begann nach fünf Jahren "Non-League-Football" in der National League die Reinkarnation: Die Hatters feierten den Meistertitel und die Rückkehr in die vierte englische Liga. 2018 folgte der Aufstieg in die League One, ein Jahr später marschierte Luton als Meister direkt in Liga zwei durch.
In der Championship hielten sich die Hatters mit Platz zwölf und sechs mehr als souverän in der Liga, scheiterten 2022 in den Playoffs im Halbfinale an Huddersfield. Dieses Jahr, ein Jahr später, drehte Luton einen 1:2-Rückstand aus dem Hinspiel gegen Sunderland mit einem 2:0-Sieg an der legendären Kenilworth Road zu einem Finaleinzug, um dort eben jenes Märchen gegen Coventry City zu komplettieren.
Mpanzu: "Es geht darum, Leute zu haben, die an dich glauben"
"Es war ein Abenteuer", meinte Luton-Mittelfeldspieler Pelly Ruddock Mpanzu über fünf Aufstiege in den letzten neun Jahren. Der 29-jährige Kongolose wechselte 2013 zu Luton und erlebte die gesamte Geschichte mit. Er ist zugleich der erste Spieler, der für den gleichen Klub von der fünften bis zur zweiten Liga aufgelaufen ist - nun kommt eine weitere Spielklasse im Trikot der Hatters dazu. "Es geht darum, Leute zu haben, die an dich glauben", so der defensive Mittelfeldspieler weiter.
"Es war eine Achterbahnfahrt, vor allem für die Fans", erklärte auch Personal-Chef und ehemaliger Spieler von Luton, Mick Harford bei ESPN. Den glorreichen Sieg gegen Arsenal 1988 erlebte er hautnah mit, nach langer Abstinenz kann er sich nun wieder auf Begegnungen gegen die Gunners, Manchester United & Co. freuen.
Still: "Keine Tatsache, sondern Fiktion"
Der Personal-Chef holte 2013 John Still als Trainer, der direkt den Aufstieg aus der fünften Liga schaffte - und nun Gesicht des Erfolges ist. "Es ist eine fantastische Geschichte", so Still gegenüber ESPN. "Wenn das jemand schreiben würde, wäre es keine Tatsache, sondern Fiktion."
Auch wenn es für vielen noch fiktiv klingt, ist es seit vergangenem Samstag Realität. Durch den Aufstieg, bei welchem Luton eine dreistellige Millionensumme kassiert, muss der Verein nun Verbesserungen am legendären Stadion vornehmen. Eine Liste von Veränderungen in Höhe von zehn Millionen Pfund (umgerechnet 11,5 Millionen Euro) soll dafür sorgen, dass die Mindestanforderungen der Premier League umgesetzt werden.
Größere Umkleidekabinen, neue Flutlichter, verbesserte Medieneinrichtungen, ein VAR-System sowie eine komplett neue Haupttribüne könnten zwar ein wenig Charme der Kenilworth Road rauben. Der aktuellen Erfolgsgeschichte wird dieser Umbau aber keinen Abbruch tun. Das Fußballmärchen von Luton Town ist komplett.