Matthias Sammer spricht bei Sky Sport über den FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft
Am Dienstag wurde die zweite Folge von "Sammer & Basile - der Hagedorn-Talk" auf Sky Sport News ausgestrahlt.
11.11.2025 | 22:58 Uhr
Im neuen Sky Sport Format spricht Matthias Sammer unter anderem über die deutsche Nationalmannschaft und Bundestrainer Julian Nagelsmann sowie über den FC Bayern. Zudem bewertet er die Nominierung von Said El Mala.
Matthias Sammer über …
... die deutsche Nationalmannschaft:
"Ja, wir sind noch fragil, aber wir sind nicht so schlecht, wie es manchmal dargestellt oder diskutiert wird. Wir müssen vielmehr Wege finden, wie unsere Nationalmannschaft - unter der Voraussetzung der individuellen Qualität, die aus meiner Sicht vorhanden ist - zu den jeweiligen Höhepunkten in bestmöglicher Verfassung auftreten kann. Wir sprechen dabei nicht mehr von der Qualifikation, die werden wir sicher schaffen, davon bin ich völlig überzeugt. Wenn es dann zum Turnier kommt, geht es darum, aus dieser Gruppe eine echte Mannschaft zu formen. Und dann bin ich sehr optimistisch. Denn, wie Rudi einmal gesagt hat: Dann muss es erst einmal jemanden geben, der besser ist als wir."
... Nominierung von El Mala:
"Grundsätzlich wird mir darüber viel zu viel gesprochen. Es handelt sich um eine Überlegung des Bundestrainers, die jedoch - wenn man das Gesamtbild betrachtet - vielleicht noch nicht ganz passt. Es ist noch früh und geht sehr schnell. [...] Nach meinem Empfinden wird das, was derzeit passiert, völlig übertrieben.
Es handelt sich um einen jungen Spieler, und natürlich kann man darüber diskutieren: zu wenige Spielminuten, zu wenige Einsätze, am Wochenende zur Halbzeit ausgewechselt, vielleicht, weil es nicht sein bestes Spiel war. Aber wir sollten uns nicht zu sehr von der Tagesaktualität leiten lassen - auch nicht in Bezug auf unsere Nationalmannschaft -, sondern vielmehr unter einem strategischen Gesichtspunkt denken.
Wir sollten dem Bundestrainer in diesem Zusammenhang auch ein Stück weit mehr Vertrauen entgegenbringen. Er hat bestimmte Überlegungen im Kopf, ebenso eine klare Vorstellung davon, wie er spielen möchte, und wird dementsprechend die passenden Spielertypen nominieren. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir aber noch nicht sagen, was im März oder im kommenden Sommer sein wird, was ihm dann gefällt oder was er bevorzugt."
... den Umgang von Julian Nagelsmann mit Leroy Sane:
"Meine Erfahrungen sind, Individualisten brauchen Liebe, brauchen so viel Liebe, dass es knallt. Das ist einfach so."
... die Ansage von Nagelsmann in Richtung Sane:
"Das ist genau das, was ich ihm grundsätzlich nicht geraten hätte zu sagen. [...] Du brauchst nicht in der Öffentlichkeit die Beziehungsebene infrage zu stellen. Der Öffentlichkeit erklären wollen, dass es möglicherweise die letzte Chance ist. Ich würde das nicht mehr tun, aber in dem Alter vom Julian hätte ich es genauso getan und es wäre genauso vielleicht nicht richtig gewesen."
... Form und Fitness der Nationalmannschaft:
"Vor Turnieren werden Leistungsdiagnostik und Ausdauertests gemacht, um eine objektive Analyse zu bekommen. Früher, im Nachwuchsbereich von 2006 bis 2012, haben wir Spieler nach gut, mittel oder schlecht bewertet und dann Maßnahmen ergriffen, damit sie in einer guten Verfassung zum Turnier antreten.
Ein Beispiel ist Jonathan Tah: kürzlich noch pausiert im zweiten Spiel der Nationalmannschaft, jetzt bei Bayern München wieder in Topform. Das zeigt, dass entweder ein Zauberer die Lösung gebracht hat oder harte Arbeit dahintersteckt. Ich hoffe, dass die deutsche Nationalmannschaft beim Turnier eine ähnliche Verfassung erreicht - dann spielen wir um den Titel mit.
Wenn die Form normal ist, wie zum Beispiel in Katar, kann man 80 Minuten ein Spiel beherrschen und dann in zehn Minuten Gegentore bekommen. Das kann taktische Ursachen haben, aber mit körperlicher und geistiger Stärke und der Qualität unserer Spieler können wir eine sehr gute Mannschaft stellen. Wenn dann jemand kommt, der in allen Belangen besser ist, müssen wir uns verneigen - aber der muss erst einmal kommen."
... Leistungsdiagnostik:
"Leistungsdiagnostik wird in Deutschland weiterhin durchgeführt, aber entscheidend ist, wie man die Ergebnisse nutzt - also die Leistungssteuerung. Wir müssen verstehen, wie Spieler damit arbeiten, um ihre Form gezielt zu verbessern. Anfang der 2000er haben die Amerikaner wertvolle Elemente wie Schnellkraft, Exklusivität und Athletic Performance in die Nationalmannschaft eingebracht, die wir dringend brauchten.
In den letzten Jahren haben wir zu stark die Spielidee in den Mittelpunkt gestellt und alles darum herum organisiert. Dabei darf man Konstitution, Kondition, Technik, Taktik und Persönlichkeit nicht vernachlässigen. Wenn die Spielidee allein funktioniert, stößt man an Grenzen."
… Bundestrainer Julian Nagelsmann:
"Julian ist noch ein junger Trainer - und junge Trainer neigen in gewissen Phasen dazu, wenn sie etwas bewegen wollen, Reizpunkte zu setzen. Manchmal im Positiven, manchmal im Negativen. […] Ein junger Trainer will im Prinzip in der nächsten Sekunde eine Lösung. Ein älterer Trainer bleibt ruhig, gelassen, klar - und arbeitet sehr viel über Vertrauen. Das ist meine Erfahrung, die ich sammeln konnte. Ich war nur ein junger Trainer, bin aber jetzt kein alter Trainer mehr. Dafür habe ich mit einigen älteren Trainern zusammenarbeiten dürfen - als Spieler mit Ottmar Hitzfeld, als Sport-Vorstand bei Bayern mit Jupp Heynckes und Pep Guardiola. Jupp Heynckes war souverän, ist in manchen Phasen ruhig geblieben. Und Pep Guardiola - Mamma mia! - das war manchmal Wahnsinn! Da musstest du die ganze Gruppe wieder beruhigen. Das war auch ein Stück weit meine Aufgabe. Aber er sucht im Moment Stabilität. Und ich würde ihm nur raten: Die schaffst du nicht, wenn du ständig Reizpunkte setzt. Vielleicht erkenne ich mich da ein Stück weit selbst wieder - das war bei mir als junger Trainer auch so. Manche Dinge sollte man ruhiger angehen, auf manche gar nicht reagieren. Er hat auch wieder gesagt: Die reden alle und darüber und darüber. Entschuldigung - das ist sein Los. Also reagiere da gar nicht drauf, treffe in Ruhe deine Entscheidung, stabilisiere diese Mannschaft. Er hat jetzt zwei größere Blöcke mit den Bayern und den Dortmundern und gute Qualität dazugeholt. Deshalb sollte er sich gar nicht so sehr darauf einlassen, auf alles zu reagieren. Ich habe versucht, ihm nur einen Hinweis zu geben, dass er vielleicht ein bisschen altersmäßig denken und sich nicht so sehr vom extremen Ehrgeiz treiben lassen sollte. Und das sage ich ihm."
… den FC Bayern:
"Schau dir an, wie nah der Trainer, Max Eberl, Christoph Freund und der Verein die Spieler an ihr höchstes Level gebracht haben. Die Spieler sind alle besser geworden - auch in diesem Jahr. Alle sind konstant, physisch konstant, damit geistig konstant. Du hast das Gefühl: Der eine stirbt für den anderen auf dem Platz. Genau das macht dieses Gesamtbild Bayern München im Moment so attraktiv. Wir haben ein bisschen in Paris auch von einer neuen Dimension im Fußball gesprochen. Das ist eine Veränderung, deren Beweis aber im März, April, Mai noch erwiesen werden muss. Das weiß Bayern auch. Aber Stand jetzt ist es die Antwort: Auf alles irgendwo reagieren zu können - und am Ende das Spiel zu gewinnen. Und das ist im Moment fantastisch."
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