Jürgen Klinsmann exklusiv über Bayern, Inter, Müller, BVB und Barcelona
Jürgen Klinsmann hat sowohl für den FC Bayern als auch für Inter gespielt. Vor dem Kracher in der Königsklasse spricht der Weltmeister von 1990 exklusiv bei Sky.
07.04.2025 | 22:23 Uhr
Klinsmann nennt seinen Favoriten und analysiert den bevorstehenden Abgang von Thomas Müller. Eine Zukunft in der MLS traut er ihm durchaus zu.
Jürgen Klinsmann bei Sky ...
…über Thomas Müller und dessen Abgang aus München: "Ich verfolge die Geschichte um Thomas natürlich genauso aufmerksam wie Sie. Zum einen ist es ein bisschen schade, wie das jetzt alles zustande gekommen ist. Ich denke, der Zeitpunkt war ein bisschen unglücklich. Man hätte auch ruhig noch die paar Wochen warten können bis Anfang Juni, wenn dann hoffentlich das Champions League Finale mit dem FC Bayern in München stattgefunden hat, um das dann zu entscheiden und bekannt zu geben. Jetzt ist es halt so passiert. Ich glaube, über den Thomas zu reden, da weiß man gar nicht, wo man anfangen und wo man aufhören soll, weil er so eine fantastische Karriere gespielt hat und einfach auch so ein Top-Kerl ist. Und so einem guten Typen, dem gönnt man einfach alles. Und jetzt, nachdem diese Entscheidung raus ist, hoffe ich einfach für ihn, dass er jetzt noch eine große Rolle spielt in den letzten Spielen. Zum einen in der Bundesliga, um den Sack zuzumachen und zum anderen natürlich auch im Europacup, um weiterzukommen und dieses Finale wirklich in seinem Heimstadion, in der Allianz Arena in München zu spielen. Das wünscht man ihm einfach und auch dem FC Bayern. […] Er liest das Spiel voraus. Der Thomas agiert ein bisschen wie ein Schachspieler. Der denkt immer zwei Schritte voraus. Der ist am richtigen Fleck im richtigen Moment. Und das hat ihn von Anfang an ausgezeichnet. Und er macht in einer Gelassenheit die Tore. Also er macht sich nie den Kopf davor, ist kaltschnäuzig ohne Ende. Also ein bisschen wie Gerd Müller auch. Das war phänomenal, aber was er dazu noch hatte, war dieses Auge für den Mitspieler. Er wusste immer, wo die anderen zwei, drei, vier um ihn herum waren und ob er die auch in Szene setzen kann. Und ihm ging es nie darum, selber nur die Tore zu machen, sondern auch den anderen die Toren vorzulegen. Und das ist ein Spielstil, der, denke ich mal, die letzten 15 Jahre ziemlich einzigartig ist, unter diesen vielen tollen Stürmern, die wir in den letzten 15 Jahre überall beobachten durften. Es war etwas ganz eigenes: Thomas Müller-mäßig - und das zeichnet ihn einfach weltweit aus."
… darüber, ob Thomas Müller in Abwesenheit von Jamal Musiala dem Spiel der Bayern noch seinen Stempel aufdrücken kann: "Ja, also ich wünsche mir das echt von Herzen, dass es diese Geschichte geben wird. Weil klar, wenn dann auch noch andere ausfallen, verletzungsbedingt und du jetzt auf einmal wieder erste Wahl bist und nicht nur von der Bank kommst, dann kannst du dem Spiel schon noch deinen Stempel aufdrücken. Und das tut er ja, immer wenn er reinkommt, auch wenn es nur zehn Minuten sind, drückt er dem Spiel noch mal seinen Stempeln auf, weil er halt diese Persönlichkeit hat. Er hat diese positive Energie, er hat diesen enormen Willen, ein Ding rumzudrehen. Und jetzt kommen Aufgaben wie Inter Mailand, das ja im Prinzip ein vorgezogenes Endspiel der Champions League ist. Und am Wochenende dann auch Dortmund, wo man nicht Federn lassen darf. Und ich wünsche mir wirklich von Herzen, dass das jetzt noch mal ein richtiges Aufleben des Thomas Müllers in diesen entscheidenden Wochen gibt und natürlich, weil sie gerade das Endspiel im eigenen Hause haben am 31. Mai in München mit der Champions League, wäre das natürlich fantastisch, wenn es klappen sollte. Und wenn es nicht klappt, dann bricht ihm da auch keine Krone ab."
MLS? "Ich glaube schon, dass der Thomas da reinpassen würde"
… über eine mögliche Zukunft von Thomas Müller in der MLS: "Also wir haben ja Marco Reus bei uns um die Ecke und Marco genießt es auch schon mittlerweile. Er kam direkt rein in die MLS und hat gleich die Meisterschaft gewonnen. Das muss man auch erstmal machen. Und ich denke, dass wenn Thomas erstmal die Saison zu Ende spielt und sich dann richtig Gedanken macht, wo kommt jetzt der nächste Schritt. Ich denke schon, dass da auch die MLS eine Rolle spielen kann. Der amerikanische Fußball, diese Liga hat sich wirklich toll entwickelt. Sie ist 1996 entstanden, nach der WM 94 und wurde dann um eine Mannschaft nach der anderen erweitert. Das ist jetzt eine Liga mit 30 Mannschaften, also 15 im Osten, 15 im Westen und sie hat wirklich auch vom Niveau her unglaublich dazu gelernt und ist besser geworden. Also wirklich auch schlagkräftig und auch die Leute, die diese Liga bereichert haben über die letzten zweieinhalb Jahrzehnte, die sprechen für sich. Lothar Matthäus war hier und David Beckham hat natürlich einen Riesenschub gebracht. Und jetzt natürlich mit Lionel Messi, das ist wirklich traumhaft, den hier zu sehen bei Inter Miami. Und ich glaube schon, dass der Thomas da reinpassen würde. Also ich denke schon, das er Freude und Spaß haben würde, hier in den USA zu spielen. Du hast natürlich dann ein ganz anderes Umfeld, du hast ein ruhigeres Privatleben, weil der Fußball nicht den Stellenwert hat, wie der American Football, Baseball und Basketball, aber trotzdem anerkannt ist. Der Fußball ist hier gewachsen und kann mitreden und deswegen hoffe ich, dass das in seinen Gedanken mit eine Rolle spielt. Klar, letztendlich ist es seine Entscheidung."
… darüber wie er Thomas Müller zu seinem Bundesliga-Debüt gebracht hat und wie er ihn in der Bayern-Jugend gescoutet hat: "Es ist weniger der Moment, in dem ich ihn zum ersten Mal eingewechselt habe, sondern mehr eigentlich die Momente, in denen ich ihn zum ersten Mal anschauen durfte. Und Uli Hoeneß hat mir da am Anfang einen Tipp gegeben; schau dir den mal an von der zweiten Mannschaft, von der Amateurmannschaft. Da gibt es ein paar Jungs, die sind gut und bei dieser Amateur Mannschaft war Gerd Müller, der mein großes Idol war als kleiner Bub, Assistenz-Trainer. Und da bin ich immer rüber zu denen und habe mir das angeschaut und habe Gerd immer gefragt: du was hast du da denn so? Und dann sagte er, ich hab hier einen, der ist richtig gut. Der heißt Thomas und mit Nachnamen heißt er so wie ich. Das war eine besondere zweite Mannschaft, weil da war auch Holger Badstuber mit dabei, Mehmet Ekici und Diego Contento und diese vier, die habe ich dann ein paar Wochen später einfach mal rüber genommen ins Probetraining und habe sie mal angeschaut und wir haben sie beobachtet. Natürlich sind wir auch für die Spiele der zweiten Mannschaft an die Grünwalder Straße gefahren und Uli Hoeneß hat immer gesagt, wenn du einen hochziehen willst, dann ziehst du ihn hoch, dann machen wir das. Und so kam es dann, dass Thomas mit Holger Badstuber immer mehr bei uns waren und dann haben sie knapp anderthalb Jahre später eine Weltmeisterschaft gespielt."
Klinsmann: "Man wünscht sich einfach, dass es für Thomas Müller noch eine Fortsetzung gibt"
… über Thomas Müllers Statement auf Instagram, in dem er sagt, dass "nichts hängen bleibt zwischen ihm und dem Verein" und ob der FC Bayern es kommunikativ anders hätte lösen können: "Ja, also ich denke, der Zeitpunkt kam jetzt einfach ein paar Wochen zu früh. Ich meine, spiel die Saison zu Ende und sag dann, wir setzen uns zusammen auf einen Kaffee nach dem letzten Spiel, hoffentlich nach dem Champions-League-Finale. Das wäre die bessere Variante gewesen. Es ist halt so passiert, jetzt ist das alles raus, jetzt müssen sie damit klarkommen. Aber der FC Bayern kommt ja immer mit großem Tamtam klar. Also es ist ja nie Ruhe beim FC Bayern. Und egal wann etwas passiert, die drehen dann den Schalter um und konzentrieren sich auf das Wesentliche. Und das macht ja der Thomas auch, deswegen ist er ja so ein bisschen der FC Bayern, weil er weiß genau, was am wichtigsten ist und das Wichtigste ist. Jetzt geht's gegen Inter Mailand, das ist jetzt der allerwichtigste, weil das wird total schwer. Das ist eine Top-Mannschaft, die auch die Champions League gewinnen kann und dann müssen sie den Sack zumachen in der Bundesliga. Sie müssen aufpassen, dass sie da nicht noch ein paar Punkte abgeben und Leverkusen vielleicht noch rankommen könnte. Es ist jetzt so wie es ist, aber man wünscht sich einfach, dass es für Thomas Müller noch eine Fortsetzung gibt. Also ich wünsche mir natürlich, aus meiner amerikanischen Sicht, dass er hier hin wechseln würde. Aber ich hoffe einfach noch, dass er einfach noch ein paar Jahre weiterspielt, weil sein Stil, wie ich es schon beschrieben habe, ist zeitlos und er könnte locker noch drei, vier, fünf Jahre kicken."
… darüber für wen sein Herz im Duell seiner beiden Ex-Vereine Bayern München und Inter Mailand schlägt und wen er vorne sieht: "Ich bin mit beiden Klubs nach wie vor viel in Kontakt und meine Inter-Mannschaft war etwas ganz Besonderes, weil ich als junger Kerl kam, das war der erste große Schritt ins Ausland, da waren Lothar Matthäus und Andy Brehme schon dort, die haben die Meisterschaft gleich gewonnen. Und ich durfte so viel lernen in Italien, also nicht nur auf dem Platz, sondern vor allem außerhalb des Platzes. Man reift dann, man lernt eine neue Sprache und Kultur kennen. Und deswegen war das wahrscheinlich der wichtigste Schritt in meiner Karriere, der zu Inter Mailand. Und wir haben nach wie vor eine WhatsApp-Gruppe, die 1991 den UEFA Cup geholt hat. Also wir simsen uns jeden Tag die Dinger hin und her und jetzt geht es natürlich schon ein bisschen heißer zu, weil auch Lothar für Inter gespielt hat und da werden halt die Sprüche gemacht. […] Ich denke, dass es mit dem Pech der ganzen Verletzungen beim FC Bayern schon total schwer wird. Inter hat eine Mannschaft aufgebaut über die letzten sechs, acht Jahre, die auf jeder Position wirklich doppelt besetzt ist, mit Hochkarätern. Wie es auch ja der FC Bayern hat, aber durch die ganzen Verletzungen, die jetzt passiert sind wird es brutal schwer für den FC Bayern. Ich würde auch sagen, da darf kein FC Bayern-Fan enttäuscht sein, wenn es jetzt nicht klappen sollte, mit dem Finale im eigenen Stadion. Können sie es schaffen? Ja, auf jeden Fall. Sie können es schaffen. Aber Inter ist eine harte Nuss und für mich haben die ein bisschen mehr den Favoritenstatus für dieses Viertelfinale als der FC Bayern."
… über die Chancen von Borussia Dortmund gegen den FC Barcelona: "Das ist ja das Schöne jetzt am internationalen Geschehen, dass wir überall Bekannte haben, die ihre Abenteuer leben, so wie Hansi Flick bei Barcelona, der jetzt auf Borussia Dortmund trifft. Dortmund hat seine turbulenten Wochen schon hinter sich und ist noch mitten drin. Also alles ist da machbar, alles ist möglich. Es ist auch möglich, dass Borussia Dortmund weiterkommt gegen das große Barca. Ich glaube, der Favorit ist schon Barcelona aufgrund des Spielermateriales, das Barca da hat. Aber im Großen und Ganzen, wenn ich jetzt mal dieses Champions-League-Jahr betrachte mit diesem neuen Modus, dem neuen Ansatz, war das eigentlich schon ein Erfolg, weil du hast so viele Begegnungen gehabt und gesehen, dass auch die Kleinen die Großen mal weggeputzt haben und dass es Überraschungen gab. Zum Schluss in den letzten Acht sind immer die Großen drin, die Üblichen, sage ich mal. Aber dieses neue Format, das wir am Anfang überhaupt gar nicht kapiert haben, hat sich eigentlich schon positiv bezahlt gemacht. Und Niko Kovac kennt diese Spiele, ich glaube es ist gar nicht schlecht, dass man ein bisschen als Underdog reingeht und vielleicht sogar ein bisschen defensiver spielen kann und stabil steht und dann auf Konter lauert, weil Barcelona möchte automatisch nach vorne spielen, die können ja gar nicht anders, da sind sie anfällig. Hansi Flick spielt auch gerne mit einer hohen Linie mit seiner Abwehrkette und da hat er sich auch schon ein paar Dinger eingefangen in der spanischen Liga, mit denen er nicht gerechnet hat. Also die Chance ist schon da, aber ich sag mal, die Akzente werden sicherlich erstmal von Barcelona gesetzt und dann muss man drauf lauern. Und warum nicht? Also ich denke, man kann immer wieder Überraschungen schaffen und das wird eine spannende Geschichte."
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