Kroos wird als größter deutscher Spieler in die Geschichte eingehen
11.05.2023 | 15:27 Uhr
Das Hinspiel zwischen Real Madrid und Manchester City war ein Duell auf allerhöchstem Niveau: Zwei Mannschaften auf Augenhöhe, die richtig gut Fußball gespielt haben.
Die Engländer sagen "Take care of the ball". Ich glaube, dass beide Teams genau das in Perfektion gemacht haben.
Heutzutage wird sehr viel von "Umschaltspiel" gesprochen. Wenn ich das Wort schon höre, kriege ich einen Hals! Wenn ich den Ball nicht verliere, kann keiner umschalten.
Ich habe das Gefühl, dass durch die ganzen Fachbegriffe, die Wissenschaftler in den Sport gebracht haben, aus den Augen verloren haben, was diesen Sport so schön macht.
Klar, auch am Dienstag gab es den einen oder anderen Konter, aber wie sicher beide Teams den Ball gepasst haben, das war einfach wunderbar anzuschauen.
Heutzutage hat man oft den Eindruck, dass das Spiel ohne Ball wichtiger ist als das Spiel mit Ball. Aber Fußball ist nicht Umschaltspiel oder Gegenpressing, er wird mit dem Ball gespielt. Und genau das müssen wir schon den Kindern und Jugendlichen vermitteln.
Das, was wir am Dienstag im Estadio Santiago Bernabeu gesehen haben, war Fußball in Reinform. Wie bei Reals 1:0: Doppelpass auf der Linksverteidiger-Position zwischen Camavinga und Modric, Lauf von Camavinga, Pass auf Vinicius Junior, und der haut den Ball ins Tor!
Vinicius Junior ist ein "Superstar in the making". Man spricht immer über Mbappe, aber ich glaube nicht, dass Vinicius weit dahinter anzusiedeln ist.
Benzema und Haaland waren beide abgemeldet, was vor allem an den guten Leistungen der Innenverteidiger lag. Stones und Dias bei City und Rüdiger und Alaba bei Real haben einen riesigen Job gemacht.
Für mich ist immer noch unerklärbar, dass Rüdiger bei den letzten Länderspielen nicht dabei war. Er ist der mit Abstand beste deutsche Abwehrspieler, er liebt das Verteidigen. Du brauchst Spieler, die sich für die Mannschaft aufopfern, und da haben wir in Deutschland keinen, der besser ist als Rüdiger.
Was Toni Kroos und Luka Modric im Mittelfeld auch mit 33 und 37 Jahren immer noch leisten, ist Wahnsinn. Die beiden sind ihren Gegnern im Kopf immer einen Schritt oder zwei voraus, deshalb spielen sie in diesem Alter immer noch auf allerhöchstem Niveau. Kroos wird mit seinen gewonnenen Titeln nicht nur als erfolgreichster, sondern aus meiner Sicht als größter deutscher Spieler in die Geschichte eingehen.
Um mit dem Druck in einem Verein wie Real Madrid über Jahre so umzugehen wie er - dazu braucht es große spielerische Klasse und mentale Stärke. Was Kroos in den vergangenen Jahren geleistet hat und auch am Dienstag wieder gespielt hat, da kannst du vor diesem Mann nur den Hut ziehen.
Dass das Alter eines Spielers nicht unbedingt ein Maßstab sein muss, hat man auch bei Edin Dzeko (37) und Henrikh Mkhitaryan (34) gesehen. Dzeko hat mit seinem Tor gegen Milan den Rekord von Luka Modric als ältester Torschütze in in dieser CL-Saison eingestellt, Mkhitaryan hatte in Dortmund unter Thomas Tuchel seine starke Phase, danach ist er zwischenzeitlich etwas in der Versenkung verschwunden. Aber bei Inter scheint er seine Heimat gefunden zu haben. Spieler wie er brauchen gewisse Freiheiten und das passende Umfeld, um sich entfalten zu können.
Ehemalige Bundesligaprofis wie Kroos, Dzeko, Mkhitaryan, Calhanoglu, De Bruyne oder auch ein Osimhen sorgen in der Champions League für Furore. Das zeigt mir, dass wir hier hervorragende Sportdirektoren und gute Scouts haben, die diese Spieler in jungen Jahren geholt haben.
Andere Spieler werden es registrieren und sich möglicherweise überlegen, auch den Weg nach Deutschland anzutreten und hier ihre Karrieren zu starten. Ein Kevin De Bruyne konnte sich in Bremen und Wolfsburg in Ruhe entwickeln und ist jetzt einer der besten Spieler der Welt, der für City im Rückspiel gegen Real eine große Rolle spielen wird. Er ist selbst torgefährlich und kann aus dem Nichts Chancen und Tore vorbereiten, wie wir es in Madrid wieder bewundern konnten.
Ob Jude Bellingham bald bei Real Madrid oder in Manchester spielen wird oder in Dortmund bleibt, weiß ich nicht. Ich finde, dass es Matthias Sammer gut ausgedrückt hat (Sammer hatte am Dienstag bei Amazon Prime gesagt: "Wenn er in Dortmund bleibt, wird er dort weiter reifen. Wenn er zu einem Klub wie Real kommt, muss er sich schneller und gründlicher anpassen. Darauf hat nun auch BVB-Coach Edin Terzic reagiert).
Ich glaube, es würde ihm nicht schaden, noch ein Jahr in Dortmund zu bleiben und möglicherweise mit dem BVB in der kommenden Saison als Meister in der Champions League zu spielen.
Vielleicht will er den Schritt auch jetzt schon machen und bei Real von Kroos und Modric lernen, die wahrscheinlich beide in Madrid verlängern. Für mich wäre das als junger Spieler ein Beweggrund, noch ein Jahr mit diesen beiden zusammen trainieren zu können. Er selbst muss es entscheiden.
Auch Thomas Müller muss abwägen, wie seine Zukunft aussehen soll. Die Bayern werden möglicherweise einen Stürmer holen, die Konkurrenz wird nicht weniger. Ich verstehe Oliver Kahn, der sagt: "Wir wollen ihn behalten." Die Frage ist, was Müller will.
Einen Wechsel ins Ausland kann ich mir nicht vorstellen, ein Wechsel in der Bundesliga würde mich sehr überraschen. Wenn er in der Nähe von München bleiben will, könnte er nur nach Augsburg gehen.
Aber Spaß beiseite. Er ist sehr heimatverbunden, und vielleicht reicht es ihm, wenn er in der nächsten Saison nur 20 Spiele für Bayern macht.
Momentan nimmt er seine Rolle gut an. Aber es ist etwas anderes, wenn du in die neue Saison startest und weißt, dass du nur die Nummer 13 oder 14 bist.
Zum Aufhören ist es zu früh, weil Müller noch sehr viel in sich hat. Mein Eindruck: Abwarten, es ist alles möglich.