Das sind Nagelsmanns Trümpfe fürs Achtelfinale
25.06.2024 | 20:51 Uhr
Lothar Matthäus sieht nach dem 1:1 der deutschen Mannschaft gegen die Schweiz das Positive für den weiteren Turnierverlauf. Der Rekordnationalspieler erklärt, worauf es für Trainer Julian Nagelsmann und seine Spieler ankommt. Zudem nennt er seinen Wunschgegner fürs Achtelfinale.
Julian Nagelsmann hat nach dem Spiel gegen die Schweiz gesagt, er nimmt "ein spätes 1:1 lieber mit als ein klares 4:0 für die nächsten Wochen."
Ich verstehe seine Aussage, er muss der Mannschaft vermitteln, dass es ein gefühlter Sieg war. So einen Rückstand aufzuholen, gibt Selbstvertrauen, das hat man auch in der vergangenen Bundesligasaison bei Bayer Leverkusen gesehen.
Die deutsche Mannschaft hatte u.a. mehr Torschüsse, Ecken und Ballbesitz, aber es haben die Zielstrebigkeit und vielleicht auch die Leichtigkeit gefehlt. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Schweiz eine sehr gut organisierte Mannschaft ist.
Die Freude auf der deutschen Bank nach dem 1:1 war riesig. Man hat den 1. Platz verteidigt, den man unbedingt erreichen wollte. Man hat auch nicht daran gedacht, welcher Gegner im Achtel-, Viertel- oder Halbfinale kommen könnte. Auf dem Weg ins Finale der Europameisterschaft muss man ohnehin auch mal große Mannschaften aus dem Weg räumen.
Ich habe auch noch nie gesehen, dass eine Mannschaft, die den Titel geholt hat, in allen sieben Spielen überzeugt hat. Argentinien hat bei der WM in Katar das Auftaktspiel gegen Saudi-Arabien verloren, Deutschland hat 2014 gegen Ghana 2:2 gespielt, wir haben 1990 gegen Kolumbien 1:1 gespielt. Ich kenne keine Mannschaft, die mit sieben Top-Leistungen durch ein Turnier marschiert ist.
Bisher sieht das deutsche Spiel gut aus, es ist Druck nach vorne da, auch wenn der Ball gegen die Schweiz nicht mit den ersten Chancen ins Tor gegangen ist wie gegen Schottland und Ungarn. Es hat dieses Mal etwas länger gedauert, und hinten haben wir halt mal nicht aufgepasst.
Natürlich gibt es einige Dinge, die man trotz der sieben Punkte aus den ersten drei Spielen verbessern muss, aber das 1:1 gegen die Schweiz hat uns auch etwas gezeigt: Wir können Rückstand und wir können auch bis zur letzten Minute durchspielen, ohne den Glauben an unsere Stärke zu verlieren oder hektisch zu werden. Die Gegner werden im Lauf des Turniers besser, aber dafür wird auch der Fokus der deutschen Mannschaft stärker, weil jetzt die K.o.-Spiele anstehen.
Ob Nagelsmann seine Anfangsformation verändern sollte, ist eine Diskussion, die gerne von Journalisten geführt wird. Ich habe selbst als Spieler auf dem Platz gestanden und als Trainer gearbeitet. Ich würde mir nie erlauben zu sagen, jetzt müssen diese oder jene Spieler in die Startelf. Ich glaube, dass die erste Mannschaft sehr gut funktioniert hat. Ich habe es in einer meiner vergangenen Kolumnen schon einmal erklärt: Das Wichtigste für einen Trainer ist nicht die erste Elf. Die Spieler, die er bringen kann, sind teilweise noch wichtiger.
Nagelsmann weiß jetzt, dass er sich auf Nico Schlotterbeck als Ersatz für den im Achtelfinale gesperrten Jonathan Tah verlassen kann. Genauso wie auf David Raum, den ich übrigens schon vor der EM in meiner Stammelf hatte.
Raum ist offensiv mit seiner Schnelligkeit und seiner Erfahrung als Schienenspieler in der Dreierkette ein bisschen explosiver und gefährlicher mit seinen Flanken. Er hat in den vergangenen Monaten in Leipzig unter Marco Rose auch defensiv enorm dazugelernt. Maximilian Mittelstädt besitzt dafür andere Fähigkeiten. Beide bringen ihre Leistung.
Mittelstädt ist mehr der spielerische Außenverteidiger, wie auch Kai Havertz der spielerische Mittelstürmer gegenüber Füllkrug ist. Spielt man mit Füllkrug, wäre Raum der bessere Zubringer für ihn. Zu Havertz passt Mittelstädt besser. Ich gehe davon, dass Nagelsmann bei seinem System und den gleichen Spielern bleibt.
Der Bundestrainer hat das große Plus, dass er viele Optionen hat, wie auch einen Sane, einen Führich oder in der Abwehr einen Schlotterbeck einzuwechseln.
Dem Dortmunder traue ich jederzeit zu, das zu spielen, was auch Tah gespielt hat. Schlotterbeck hat ein gutes halbes Jahr beim BVB hinter sich, er hat in der Champions League gut gespielt. Und wenn es bei Rüdiger nicht mit einem Einsatz klappen sollte, hätten wir mit Schlotterbeck und Waldemar Anton zwei Innenverteidiger mit Tempo, die körperlich gegen den Mann spielen und kopfballstark sind. Ohne Tah und Rüdiger würde der Innenverteidigung zwar ein bisschen Erfahrung fehlen, aber Anton über die ganze Bundesligasaison und Schlotterbeck in den vergangenen Monaten haben beide gezeigt, dass sie ganz große Spiele können.
Ich glaube, dass Dänemark das schwierigere Spiel wäre und sehe die Dänen im letzten Gruppenspiel gegen die Serbien in der Favoritenrolle, aber ich würde mir aufgrund meiner Vergangenheit Serbien als Gegner für das Achtelfinale wünschen.
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