Ich erwarte, dass Nagelsmann mit einer Nummer neun spielt
08.11.2023 | 12:07 Uhr
Lothar Matthäus blickt in seiner Kolumne auf Julian Nagelsmanns Aufgaben als Bundestrainer und erklärt, was er von ihm erwartet. Außerdem äußert sich der Sky Experte über die Top-Stürmer der Bundesliga, die Abwehrprobleme des FC Bayern und den Kapitänswechsel bei Borussia Dortmund.
Am vergangenen Freitag wurde Julian Nagelsmann auf einer Pressekonferenz als Bundestrainer vorgestellt. Julian kann sehr gut reden, er muss aber auch als Trainer die richtige Ansprache finden, um seine Mannschaft einzustellen. Er hat sich in der Vergangenheit zu vielen Dingen geäußert, das wird er wahrscheinlich nicht mehr machen. In München ist er ja nicht wegen einer Pressekonferenz beurlaubt worden, sondern wegen anderer Dinge. Er hatte ein gutes halbes Jahr Zeit, das alles noch einmal Revue passieren zu lassen.
Es geht nicht um die Frage, ob einzelne Spieler von Nagelsmann profitieren. Es geht nicht darum, ob Marc-Andre ter Stegen bessere Karten hat als Manuel Neuer, weil Julian Nagelsmann damals bei Bayern Neuers Torwarttrainer nicht wollte. Einzig und allein der Erfolg der Mannschaft ist wichtig. Nagelsmann muss mit der Unterstützung seines Trainerteams und mit der Unterstützung von Rudi Völler herausfinden, welches System für das Team am besten ist.
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Es ist gar nicht so schwierig, wenn man bei der Nationalmannschaft das gleiche System spielt wie bei Bayern, nämlich 4-2-3-1. Bayern hat es kapiert und nach einem Jahr ohne richtigen Neuner sehr viel Geld für Harry Kane in die Hand genommen. Die Nationalelf hat keinen Kane, aber Niclas Füllkrug hat in Bremen und in der Nationalelf bewiesen, dass er weiß, wie man Tore macht.
Ich erwarte von Nagelsmann, dass er mit einer Nummer neun spielt, die den deutschen Fußball und den FC Bayern immer starkgemacht hat. Wir können im Fußball nicht alles verändern. Julian hat in seiner Zeit in München wahrscheinlich auch gelernt, dass er nicht derjenige ist, der den Fußball verändern kann, sondern dass er die Spieler für ein System finden muss, das erfolgreich ist.
Es kommt nicht darauf an, ob die fünf Bayern-Profis, die gegen Manchester United im Mittelfeld gespielt habend, in die Startelf der Nationalelf gehören. Vielleicht ist es besser, wenn Joshua Kimmich Rechtsverteidiger spielt, weil die DFB-Auswahl dort ein Problem hat. Oder soll man Ilkay Gündogan, der zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt wurde, etwa draußen lassen?
Meine Meinung ist, dass die Besten spielen sollten, die in das System passen. Ob sie bei Bayern oder Barcelona spielen oder nicht. Wenn wir darüber diskutieren müssen, ob der Triple-Kapitän von Manchester City oder ein Jahrhundert-Talent wie Florian Wirtz spielen muss, zeigt es doch, dass wir viele gute Spieler haben. Wir müssen die Qualität bündeln und als Team so auftreten, dass wir an die Erfolge früherer Tage anknüpfen und die Fans wieder begeistern.
In der Bundesliga sorgen Harry Kane, Victor Boniface und Serhou Guirassy für Furore. Dieses Trio wird wahrscheinlich auch am Ende der Saison in der Torschützenliste ganz oben stehen. Kane und Boniface kämpfen mit Bayern und Leverkusen um die Meisterschaft, Guirassy spielt mit Stuttgart erfrischenden Fußball.
Am Beispiel des VfB und Sebastian Hoeneß sieht man, wie wichtig es ist, wenn ein Trainer die gesamte Vorbereitung mit der Mannschaft absolviert hat, das sieht man auch bei Xabi Alonso in Leverkusen und Pellegrino Matarazzo in Hoffenheim. Stuttgart hat wichtige Spieler verloren, aber Hoeneß hat eine Mannschaft geformt, die den Fußball spielt, der zu dieser Spielegeneration gehört. Der VfB verfügt über viele junge, schnell und technisch sehr starke Spieler. Das System passt perfekt zur Mannschaft, davon profitieren alle, nicht nur Guirassy.
Bei Kane war klar, dass er auch bei Bayern treffen würde, und dass Boniface so stark auftritt, überrascht mich nicht. Im Gegenteil: Für mich war unverständlich, dass er so lange in Belgien gespielt hat und kein deutscher Verein auf ihn aufmerksam wurde. Es bedurfte erst der Spiele von Union Berlin und Bayer Leverkusen in der Europa League, dass der Name Boniface in Deutschland Beachtung fand.
Gratulation an Leverkusen - für die anderen Scouting-Abteilungen in der Bundesliga sage ich: 17-mal die Note 5, dass man diesen Spieler aus Belgien nicht für diese Summe geholt hat. Vielleicht hatten einige Klubs Bedenken, weil er schon zwei Kreuzbandrisse hatte, aber nachdem ich ihn zwei, dreimal gesehen hatte, habe ich gedacht: "Für diesen Spieler laufe ich zu Fuß aus München nach Belgien."
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Für den FC Bayern war vielleicht der Name Boniface und seine Geschichte zu klein. Ich habe auch vor einigen Monaten schon über Guirassy gesagt, dass er einer für Bayern wäre. Er hat schon in der vergangenen Saison seine Tore gemacht und wäre vor dieser Saison zu haben gewesen.
Aber die Münchner haben nach etwas Großem gesucht: Kolo Muani, der Aufsteiger der Saison und WM-Finalist mit Frankreich oder eben Kane.
Hinter den namhaften Spielern muss sich Mathys Tel in München erst einmal hinten anstellen. Er ist noch sehr jung und er muss dranbleiben, das hat man auch bei Jamal Musiala gesehen, der in der Hierarchie, was Spieleinsätze angeht, gerade ein bisschen vor Thomas Müller steht.
So lange Sane, Coman und Gnabry auch performen, ist es für einen Tel sehr schwierig, aber er lernt in jedem Training dazu und wenn er reinkommt, ist er konzentriert, fokussiert, und vor allem seine Torquote spricht einfach für ihn.
Bayern ist als Mannschaft offensiv ausgerichtet, hat aber zuletzt im Supercup gegen Leipzig, gegen Leverkusen und gegen Manchester United mehrere Gegentore kassiert. Es wird keinen Systemwechsel geben, aber Thomas Tuchel wird mit seinem Trainerteam an der Defensive arbeiten.
Oft hatte der Gegner im Strafraum zu viel Spielraum. Der Raum wurde gedeckt, aber nicht der Gegner. Ich erinnere mich an seine Szene aus dem Supercup, in der Matthijs de Ligt gegen Dani Olmo nicht richtig in den Zweikampf gegangen war.
Am Samstag brauchen die Bayern im Topspiel in Leipzig mehr Kompaktheit und mehr Fokussierung im eins gegen eins als beim 0:3 im Supercup. Da müssen die Köpfe glühen, das muss man energischer und kompromissloser sein, um solche Situation zu erkennen und schon im Keim zu ersticken.
Hinter Bayern, Leverkusen, Stuttgart, Leipzig und Hoffenheim steht Borussia Dortmund nach fünf Spieltagen auf Platz sechs. Was Ihre Spielanlage betrifft, sind die Dortmunder weit hinter ihrer Form zurück, die sie bei der Aufholjagd in der vergangenen Rückrunde an den Tag legten. Leverkusen und Leipzig treten selbstbewusster auf als der BVB, der sich die Siege gegen Köln, in Freiburg und gegen Wolfsburg hart erarbeiten musste. Allerdings zeigen diese "dreckigen" Erfolge eine Qualität, die die Dortmunder nicht immer hatten. Das ist ein positives Zeichen, denn in der Mannschaft steckt ja Potenzial.
Den Kapitänswechsel gegen Wolfsburg von Emre Can auf Marco Reus finde ich in Ordnung. Can hatte zuletzt eine schwächere Phase, er war aber in der vergangenen Rückserie einer der besten Dortmunder und hat mit dafür gesorgt, dass die Meisterschaft bis zum Ende spannend war. Von einem erfahrenen Spieler wie ihm hätte ich mehr Stabilität erwartet, aber auch der Kapitän hat das Recht, mal ein Tief zu haben. Ich glaube, dass Can ein hohes Standing in der Mannschaft hat und dass er, wenn er zurückkommt, auch wieder Spielführer sein wird. Es wäre unsinnig, ihm die Kapitänsbinde zu nehmen, bloß weil er ein Formtief hat.
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