Kretzschmar: Kein Ergebnis ist vorhersehbar - diese Liga ist so verrückt
19.12.2019 | 22:28 Uhr
"Kretzsche" analysiert regelmäßig die wichtigsten Handball-Themen. Die derzeitige Ausgeglichenheit in der LIQUI MOLY HBL beschäftigt den Experten schon eine Weile. Er nennt Gründe für die Spannung in der Tabelle, kritisiert aber auch zwei Spitzenteams, die ihn bisher noch nicht überzeugen konnten.
Die Füchse Berlin schlagen den Rekordmeister THW Kiel, die MT Melsungen enttäuscht gegen den TVB Stuttgart und in Lemgo gab es eine Überraschung gegen die Rhein-Neckar Löwen. Die LIQUI MOLY HBL ist so spannend wie schon lange nicht mehr. Es ist keine Floskel, wenn ich sage: Jeder kann jeden schlagen - kein Ergebnis ist vorhersehbar!
Alle Mannschaften - mit Ausnahme der HSG Nordhorn-Lingen - haben so starke Kader, dass sie an guten Tagen tatsächlich jeden schlagen können. Auch die Qualität der Trainer hat sich verbessert. Es gibt echt gute, innovative, junge Coaches in der Bundesliga, die sich Woche für Woche behaupten. Die Qualität ist sowohl auf Trainerseite als auch auf Mannschafts-, Vereins- und Kaderseite auf einem sehr hohen Niveau.
Ich beobachte aber auch immer mehr, dass unser Sport so ein Phasenspiel geworden ist. Es ist ein ewiges Auf und Ab, mal hat die eine Mannschaft ein Lauf, dann setzt sich das andere Team durch Torhüterparaden und Gegenstöße ab. Wie bei Stuttgart gegen Kiel, da dominieren die Zebras deutlich in der ersten Halbzeit, nach dem Seitenwechsel pariert Jogi Bitter drei Würfe und der TVB ist wieder dran - das ist schwierig zu erklären. Aber es hat viel damit zu tun, dass Handball ein Fehlersport ist. Wer die meisten Fehler macht, verliert das Spiel.
Mannschaften, die relativ diszipliniert und fehlerlos spielen, kaum technische Fehler machen und Qualität im Kader haben, haben sehr gute Chancen in der Liga. Der SC DHfK Leipzig ist in dieser Saison so ein Phänomen: Die Abwehr funktioniert gut, aber dann hackt es in gewissen Phasen im Angriff. Die Spieler verwerfen vier Bälle und das reicht dann eben im Handball schon aus, um den erarbeiteten Vorsprung aus der Hand zu geben.
Bei der MT Melsungen muss ich kritischer sein. Die Art und Weise, wie sie in Stuttgart aufgetreten sind und verloren haben, hat mir nicht gefallen. Sicherlich hat Stuttgart ein tolles Spiel gemacht, mit einem starken Jogi Bitter - aber da erwarte ich mehr von Melsungen, vor allem eine andere Siegermentalität.
Die MT muss langsam mal begreifen, wie gut sie eigentlich sind und wie gut sie sein können. Dem müssen sie sich stellen und dann würde ich da schon ganz gerne einen kontinuierlichen Erfolgshunger sehen. Das man mal einen Ausrutscher hat oder einen schlechten Tag wie in Balingen - okay, das passiert jedem Mal. Aber in der Summe muss mehr kommen, da geht es nicht nur um verschenkte Punkte, sondern auch um die Präsenz, die Ausstrahlung der Mannschaft.
Nach der Auswärtsniederlage in Lemgo werden die Rhein-Neckar Löwen geladen sein. Sie müssen nun mental voll da sein, ein weiterer Ausrutscher ist nicht mehr erlaubt, sie wollen ja eigentlich vorne mit dabei sein. Aber es ist nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens - da hatten die Mannheimer dieses Jahr viele Höhen und Tiefen. Sie haben Kiel zuhause geschlagen und auswärts in Magdeburg gewonnen - das sind natürlich Ausrufezeichen. Allerdings haben sie auch recht deutlich in Lemgo verloren und sind im Pokal zuhause gegen Hannover ausgeschieden - also auch viele Negativerlebnisse.
Die Löwen empfangen im Topspiel am Samstagabend (ab 20:15 Uhr live auf Sky Sport 2 HD) den amtierenden Meister aus Flensburg-Handewitt. Der Druck liegt klar bei den Gastgebern. Aber: Sollte die SG verlieren, wird der Abstand auf den THW Kiel wieder auf vier Punkte anwachsen, also ein komfortables Polster für die Zebras. Uns erwartet ein echtes Kracherspiel, es wird ein Rennen zwischen dem Kiel-Verfolger-Nummer-1 und den Löwen, die den Anschluss nicht verlieren und die Blamage von Lemgo wieder auswechseln wollen. Besser geht es nicht!