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Handball News: THW Kiel droht titellose Saison, Flensburg ist Tabellenführer

Vorteil Flensburg: Droht Kiel eine titellose Saison?

Die 33:34-Niederlage des THW Kiel gegen den SC Magdeburg könnte innerhalb von drei Wochen der dritte verlorene Titel für die Kieler sein.

Nach dem schmerzhaften Rückschlag im Titelkampf sprach Kiels Kapitän Domagoj Duvnjak aus, was viele Kieler dachten. "Es fällt mir schwer, jetzt noch Optimismus zu zeigen", sagte der Spielmacher des THW nach der bitteren Niederlage in Magdeburg: "Du kämpfst zehn Monate für solche Spiele, durch die du Meisterschaften gewinnen kannst - und dann verlierst du hier so mit einem Tor. Das tut weh."

Fünf Partien vor dem Saisonende fällt Kiel erneut hinter die SG Flensburg-Handewitt zurück und ist bei einem Zähler Rückstand auf einen Ausrutscher des ewigen Nordrivalen angewiesen. Doch die Flensburger haben einen Lauf, sind in der Liga seit Oktober ungeschlagen. Der Meistertitel ist zwar offiziell noch nicht vergeben, der Optimismus in Kiel schrumpft aber.

Kiels Woche zum Vergessen

Es war eine Woche, die man sich beim THW Kiel anders vorgestellt hatte: Erst scheiterte man als haushoher Favorit im Halbfinale des DHB-Pokals nach einem Sieben-Tore-Vorsprung noch am TBV Lemgo Lippe und dann gab man bei der Niederlage in Magdeburg die Tabellenführung aus der Hand. Die Rivalen aus Flensburg sind nun wieder die Gejagten.

Der Verlust des Vorsprungs gegen Lemgo knabbert am Selbstvertrauen des Rekordmeisters, das merkte man bereits gegen Ende des besagten Halbfinals, danach und zu Beginn in Magdeburg. Als Top-Mannschaft sollte man einen solchen Vorsprung, den man sich zur Pause erarbeitet hat, behaupten können. Sollte. Denn dass die Spieler trotz immer wieder beeindruckender Leistungen doch nur Menschen sind, zeigt sich an diesem Beispiel eindrucksvoll.

Kiels Trainer Filip Jicha gab zu, dass einige seiner Spieler bereits unbewusst angefangen hatten, Kräfte zu sparen - in einer Corona-Saison, die den Spielplan verdichtet und jeder Mannschaft zusetzt, ist das nachvollziehbar, aber auch fatal. Besonders in der stärksten Liga der Welt. Nichtsdestotrotz wurde der Fokus direkt auf das Magdeburg-Spiel gelegt.

Hat der Rekordmeister ein mentales Problem?

Die große Frage war vor der Partie in Magdeburg, wie fit die Kieler mental sein würden. Während Magdeburg noch auf der Euphorie-Welle des European-League-Titels schwamm, verspielte Kiel innerhalb weniger Wochen zwei Titel: erst scheiterte man in der Champions League gegen Paris Saint-Germain und dann folgte der DHB-Pokal.

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Zu statisch, zu uneffektiv und bis zur Pause zu wenig Zugriff in der Abwehr. Dass sich Hendrik Pekeler als Herzstück der Abwehr verletzte und für eine im ersten Moment unkontrolliert wirkende Tätigkeit die Rote Karte sah, machte es den Kielern noch um einiges schwerer. Bemerkenswert war der Kampf, mit dem Kiel einen Rückstand von sechs Toren beinahe egalisierte und damit bewies, dass sie gegen den Negativtrend ankämpften.

Trotzdem scheint Flensburg für den Saisonendspurt die besseren Karten zu haben. Sie haben es erneut selbst in der Hand und können das Erfolgserlebnis, wieder Tabellenführer zu sein, als Motivation für die letzten Partien einsetzen. Zwei wichtige Faktoren müssen allerdings noch betrachtet werden: Die Kraftreserven und die Restprogramme.

Wem geht früher die Kraft aus?

Es wurde viel darüber geredet, wie anspruchsvoll diese Saison sei. Quarantäne, erhöhte Verletzungsgefahr, verdichtete Spielpläne - es gibt kaum eine Mannschaft, der man die Strapazen der letzten Monate nicht anmerkt. Sky Experte Stefan Kretzschmar merkt ebenfalls an, dass man als Handballer zu diesem Zeitpunkt der Saison eigentlich nicht mehr darauf eingestellt und angelegt ist, auf diesem Niveau spielen - im Gegenteil.

Normalerweise wäre die Saison so gut wie vorbei und die lang ersehnte Sommerpause würde die Kraftreserven wieder auffüllen. Stattdessen begann erst Mitte Mai die Phase der wichtigen Spiele und Entscheidungen, zu denen man eigentlich im Vollbesitz seiner Kräfte sein sollte. Ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Restprogramme der Nordrivalen

Zwischen Flensburg und einem eventuellen Meistertitel stehen noch fünf Spiele: TVB Stuttgart (A), Füchse Berlin (H), HSG Nordhorn-Lingen (A), HC Erlangen (A) und HBW Balingen-Weilstetten (H). Nominell scheinen die Füchse Berlin die größte Hürde zu sein, doch auch für die abstiegsbedrohten Nordhorner (18. Platz) und Balinger geht es noch um viel. Auch wenn Balingen aktuell mit dem 16. Rang auf dem letzten Nichtabstiegsplatz steht, ist es nur ein Punkt Unterschied zum 17.

Kiels Restprogramm sieht wie folgt aus: GWD Minden (A), Frisch Auf! Göppingen (H), Eulen Ludwigshafen (A), TBV Lemgo Lippe (H), Rhein-Neckar Löwen (A). Besonders Göppingen und die Löwen stechen heraus, es kommt auch ausgerechnet nochmal zum Duell mit den frischgebackenen Pokalsiegern aus Lemgo, die bewiesen haben, dass sie den THW schlagen können.

Wie schwer wiegen die Verletzungen von Ekberg und Pekeler?

Flensburg scheint in Kombination mit der schwierigen mentalen Verfassung der Kieler einen Vorteil zu haben. Zumindest auf dem Papier, schließlich ist im Handball so gut wie nichts unmöglich. Kräftemäßig sind beide Kader zu dem Zeitpunkt der Saison ausgebrannt, da kann man nicht von Vor- oder Nachteilen sprechen.

Abzuwarten bleibt, wie schwer sich die im Magdeburg-Spiel zugezogenen Verletzungen von Hendrik Pekeler und Niclas Ekberg, eventuell auch Steffen Weinhold, auswirken werden. Obwohl es bei Pekeler bereits eine gewisse Entwarnung gegeben hat, wird zumindest Ekberg in den letzten Wochen der Saison nicht als Unterstützung und Entlastung auf das Spielfeld zurückkehren können. Eine Prognose, die den eh kaum noch vorhandenen Optimismus in Kiel alles andere als verstärkt.

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