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Kolumne: Lothar Matthäus über das Trainer-Karussell in der Bundesliga

Matthäus: Alle großen Bayern-Trainer haben von Gerland profitiert

Lothar Matthäus äußert sich in seiner Kolumne zum Abschied von Hermann Gerland.
Image: Lothar Matthäus äußert sich in seiner Kolumne zum Abschied von Hermann Gerland.  © DPA pa

Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt. Dieses Mal spricht der Rekord-Nationalspieler über die Trainer-Rochade in der Bundesliga, das Aus von Hermann Gerland beim FC Bayern und den Abstiegskampf.

Hätten Marco Rose und Adi Hütter ihren Abschied nicht frühzeitig verkündet, wäre das Saison-Finale in Gladbach und Frankfurt ein komplett anderes gewesen. Mit ihrem offiziellen Weggang war das große Vertrauen der Mannschaft in denjenigen, der ihnen den Weg vorgibt, nicht mehr zu hundert Prozent vorhanden und beide Trainer haben einen wichtigen Teil der Kabine und damit die Einheit und den Zusammenhalt verloren.

Das ist für zwei so tolle Vereine am Ende bitter und frustrierend. Frankfurt hat gegen Abstiegskandidaten zuletzt einen von sechs Punkten geholt und insgesamt einen Sieben-Punkte-Vorsprung auf den BVB kläglich eingebüßt. Bei Gladbach ging die Saison komplett den Bach hinunter, nachdem Roses Abgang klar war.

Profi-Team ist ein sensibles Gebilde

Von außen wirkt das möglicherweise unerklärlich. Wie kann eine Mannschaft, die kurz davor noch mitreißenden und erfolgreichen Fußball gespielt hat, plötzlich überhaupt nicht mehr funktionieren? Aber ein Profi-Team ist ein sensibles Gebilde. Wenn hier gewachsene und vertraute Strukturen plötzlich ins Wanken geraten oder gar auseinanderbrechen, reagieren viele Spieler unsicher und verlieren an Selbstvertrauen und Qualität.

Alle Kolumnen von Matthäus im Überblick
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Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de

Es geht hier darum, dass ein gemeinsames Ziel, die "Einer für alle und alle für einen"-Mentalität, nicht mehr vorhanden ist. Denn derjenige, der täglich die Marschroute ausgegeben hat, gehört gefühlt nicht mehr dazu.

Effekt auch bei Nagelsmann zu sehen

Sowohl in Gladbach als auch in Frankfurt sind Spieler gerade wegen Rose oder Hütter zu diesem Klub gewechselt, haben verlängert oder sind unter ihnen aufgeblüht, weil sie zu diesen Trainern aufgeschaut haben wie zu einem Mentor. Und wenn man dann in einem sich über Wochen hinziehenden öffentlichen Prozess mitbekommt, dass es dem Chef offensichtlich nicht mehr wichtig ist, im nächsten Jahr zusammenzuarbeiten, lässt der Teamgeist nach. Und ohne den, kann man keine wichtigen Spiele gewinnen.

Sogar in Leipzig war das in den letzten Wochen deutlich. Wäre Julian Nagelsmann nicht zu Bayern, hätte RB mit Sicherheit in beide Spiele gegen Dortmund anders performt und auch im Finale eine andere Leistung gezeigt.

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Die Entscheidung dieser drei Trainer von Gladbach nach Dortmund, von Frankfurt nach Gladbach und von Leipzig nach München zu gehen, kann ich sportlich und persönlich absolut nachvollziehen. So ist das Geschäft, zwei hatten sogar eine Klausel und das gehört heutzutage dazu.

Muss es in Zukunft Konsequenzen geben

Aber die Vereine müssen sich überlegen, wie sie in Zukunft verhindern wollen, dass die erarbeiteten Ziele mit einem Schlag zunichte sind, wenn der Trainer im Februar oder März seinen Abschied verkündet oder seine Pläne an die Öffentlichkeit gelangen. Muss man sich dann sofort trennen und den Nachwuchscoach erstmal übernehmen lassen? Setzt man vertraglich eine Frist fest, bis wann ein möglicher Abschied kommuniziert werden muss, um zu verhindern, dass sich der aktuelle Coach erst im Mai offenbart? Gibt es empfindliche Vertragsstrafen?

Irgendwas müssen sich die Klubmanager überlegen, denn sonst wird es nicht das letzte Mal sein, dass man fast tatenlos mit ansehen muss, wie großen Saisonziele, Träume der Fans, viele Millionen Euro sowie unvergessliche Momente einfach verloren gehen.

Wolfsburg als positives Beispiel

In Wolfsburg ist seit Monaten klar, dass Oliver Glasner und Schmadtke nicht noch ein Jahr zusammenarbeiten können und eine Trennung unausweichlich scheint. Aber sie haben es geschafft, bis zum Ende der Saison nichts bekanntzugeben, nach außen einigermaßen ruhig zu bleiben und das Team ist souverän in die Champions League eingezogen. Das mag im beschaulichen Wolfsburg einfacher sein, weil das mediale Interesse für diesen Klub bei weitem nicht so ausgeprägt ist und trotzdem war das souverän und klug.

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Die Mentalität eines Bundesliga-Profis müsste eigentlich so abgezockt sein, dass einen ein Trainerabgang nicht so sehr berührt, dass man plötzlich so sehr an Qualität einbüßt. Aber diesen Charakter haben die wenigsten. Das können in der Bundesliga die Bayern-Spieler vielleicht am besten. Die Gladbacher, Frankfurter und Leipziger Spieler haben sich zu sehr davon runterziehen lassen.

Zur ganzen Wahrheit gehört natürlich auch, dass auch Hütter und Rose nach Verkündung ihres Abschieds und dem zunehmenden Gegenwind, den es dann von Fans und Medien gibt, nicht mehr dieselbe Außenwirkung haben. Sie müssen sich für vergangene Treueschwüre rechtfertigen, verlieren aufgrund gebrochener Versprechen an Ansehen und Souveränität.

Beim FC Bayern bricht eine neue Zeitrechnung an

Wer mit Sicherheit in den letzten 25 Jahren nichts von alledem verloren hat, ist Hermann Gerland. Der "Tiger" ist ein Unikat und war über all die Jahre unbezahlbar und so wertvoll wie nur wenige beim FC Bayern. Jetzt kommt mit Julian Nagelsmann ein neuer und sehr junger Trainer, der seine eigenen Vertrauenspersonen und Co-Trainer mitnimmt.

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Hermann Gerland wird den FC Bayern wohl verlassen (Video-Länge: 38 Sekunden).

Nach Hansi Flick und Miroslav Klose geht nun also auch Gerland. Es bricht eine neue Zeitrechnung an beim FC Bayern. Auch weil Karl-Heinz Rummenigge langsam aber sicher das Ruder an Oliver Kahn übergibt. Alle großen Trainer haben am Ende mehr von Gerlands Auge, Erfahrung und Gespür für diesen Klub profitiert als den meisten bewusst ist. Ob van Gaal, Guardiola oder Heynckes. Sie alle haben von ihm geschwärmt.

Nagelsmanns Aufgabe wird ohne Gerland nicht leichter, aber er kann jetzt mit seinem eigenen Team zeigen, was er drauf hat. Tobias Schweinsteiger soll ja beim HSV auf der Trainer-Liste stehen. Wäre es nicht eine schöne Geschichte, wenn der "Tiger" wieder mit einem Schweinsteiger zusammenarbeiten würde? Mit "Basti" hat er sich ja schließlich blendend verstanden…

Terzic passt am besten zur Eintracht

Edin Terzic hat das in den letzten Monaten eindrucksvoll bewiesen. Er hat geschafft, was ihm nur wenige zugetraut haben. Der BVB ist in der Champions League und hat den Pokal gewonnen. Glückwunsch und meinen allergrößten Respekt dafür.

Rose und Hütter haben es Stück für Stück vergeigt, Terzic hat das Wunder noch geschafft. Und deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass er sich nun hinter Rose wieder als Co-Trainer einreiht. Er wird mit Leverkusen, Frankfurt und Berlin in Verbindung gebracht.

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Emotional und charakterlich kann ich ihn mir am besten bei der Eintracht vorstellen. Er Stand im BVB-Block, hat ein Faible für große Fan-Kultur und tolle Stimmung und würde auch deshalb gut zu diesem Klub von der ganzen Energie her passen. Vom Spielstil und den sportlichen Möglichkeiten wäre Leverkusen ideal. Berlin ist das vielleicht geringste Risiko, weil es dort nur bergauf gehen kann. Ich wünsche ihm nach diesem kurzen aber wunderbaren Märchen den Beginn einer großen Trainer-Karriere.

Spannung bis zum letzten Spieltag

Die hatten Friedhelm Funkel und Thomas Schaaf bereits. Sie haben so gut wie alles erlebt und stehen nun vor einem letzten Spieltag, der mindestens für einen bitter enden kann. Ich möchte keine Prognose wagen, denn die Entscheidung wird höchstwahrscheinlich am Samstag um kurz vor halb sechs fallen. Am Ende könnte einer abgestiegen sein und der anderer in der Relegation.

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Thomas Schaaf bereitet Werder Bremen auf das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach vor. So lief die erste Trainingseinheit (Video-Länge: 3:37 Minuten).

Für Thomas und Friedhelm und für ihre Klubs und Fans wäre das extrem traurig und deshalb drücke ich beiden, aber auch der Arminia aus Bielefeld die Daumen. Ich kann verstehen, dass die Bremer nochmal alles versuchen, um dieses eine letzte Spiel unbedingt zu gewinnen. Schaaf ist eine Bremer Ikone, eine große Respektsperson und wird alles geben, um gegen die seit Wochen enttäuschenden Gladbacher zu gewinnen. Köln hat auf dem Papier die leichteste Aufgabe daheim gegen Schalke und Bielefeld hat die meisten Punkte und den geringsten Druck.

Wie immer Spannung ohne Ende am letzten Spieltag…

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