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Fußball: Hamit Altintop im Sky Interview über Schalke, Darmstadt & Real

Büskens als Dauerlösung? Altintops Rat an Schalke

Hamit Altintop spielte von 2003 bis 2007 beim FC Schalke 04.
Image: Hamit Altintop spielte von 2003 bis 2007 beim FC Schalke 04.  © DPA pa

Hamit Altintop blickt im Interview mit skysport.de auf seine Ex-Klubs und erklärt, welches langfristige Ziel sich Schalke setzen muss und warum Darmstadt als Vorbild dient. Zudem spricht der 39-Jährige über seinen Job in der Türkei und die Zusammenarbeit mit Stefan Kuntz.

skysport.de: Herr Altintop, mit Real Madrid sorgt einer Ihrer Ex-Klubs in der Champions League mit phänomenalen Comeback-Qualitäten für Aufsehen. Hand aufs Herz: Haben Sie den Finaleinzug der Königlichen für möglich gehalten?

Hamit Altintop: Viele meiner Freunde haben immer wieder an Real gezweifelt, aber die Mannschaft hat einen eigenen Geist entwickelt, vor allem in der Champions League. Sie müssen nicht immer gut spielen, aber wenn sie gefordert sind, sind sie da und immer sehr gefährlich. Dann ist auch eine Mannschaft wie Manchester City völlig hilflos. Innerhalb von fünf Minuten waren sie k.o. und da ärgert man sich im Anschluss auch nicht, sondern akzeptiert die Stärke von Real.

Natürlich machen die Real-Spieler nicht alles richtig, sowohl auf als auch neben dem Platz. Aber sie sind erfolgsorientiert, sehr erfahren und am Ende macht insbesondere die Erfahrung den Unterschied.

Die wichtigesten Stationen von Hamit Altintop

  • 2003 - 2007: Schalke 04 (160 Spiele / 14 Tore)
  • 2007 - 2011: FC Bayern München (109 Spiele / 13 Tore)
  • 2011 - 2012: Real Madrid (12 Spiele / 1 Tor)
  • 2012 - 2017: Galatasaray (89 Spiele / 4 Tore)
  • Januar 2017 - Januar 2018: SV Darmstadt 98 (34 Spiele / 1 Tor)

skysport.de: Sie selbst haben mit Karim Benzema noch zusammengespielt: Hätten Sie ihm solch eine Entwicklung elf Jahre später zugetraut und ist er aktuell noch vor Robert Lewandowski der beste Stürmer der Welt?

Altintop: Zunächst einmal freue ich mich sehr für Karim. Die Qualität hat er schon damals gehabt. Zurzeit spielt er in einer Mannschaft, wo er Kapitän und Führungsspieler ist. Mit Toni Kroos und Luka Modric hat er zudem noch zwei erfahrene Spieler um sich herum, mit denen er sich die Führungsrolle perfekt aufteilen kann.

Sowohl Benzema als auch Lewandowski sind für ihre Teams wichtige Spieler, aber insgesamt ist Benzema noch einen Tick wichtiger, weil er nicht nur tororientiert agiert, sondern auch immer wieder Treffer vorbereitet und ein Auge für seine Mitspieler hat.

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skysport.de: Liverpool oder Real Madrid - wer ist Ihr Favorit im Finale?

Altintop: Liverpool ist meiner Ansicht nach robuster und konditionell etwas besser aufgestellt als Manchester City. Die Chancen stehen 50:50. Beide Teams verfügen mit Jürgen Klopp und Carlo Ancelotti über hervorragende Trainer. Die Ruhe, die Ancelotti auch in kritischen Momenten ausstrahlt, ist unglaublich. Er lässt sich durch nichts überraschen. Es werden zwei ausgeglichene Mannschaften aufeinandertreffen, aber die Physis und der Speed sprechen für Liverpool.

skysport.de: Blicken wir auf zwei weitere Ex-Klubs von Ihnen: Schalke und Darmstadt belegen vor dem 33. Spieltag Platz eins und zwei in der 2. Bundesliga. Wem drücken Sie mehr die Daumen?

Altintop: Ich drücke beiden Teams die Daumen. Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine vier Jahre auf Schalke, allerdings habe ich in meinen letzten Monaten dort die Führung nach Rudi Assauer (Schalke-Manager von 1993 bis 2006, Anm. d. Red.) sehr skeptisch und auch kritisch gesehen. Das war auch einer der Gründe, warum ich den Verein damals verlassen habe. Ich hatte zu der Zeit nicht das Gefühl, dass Schalke gut aufgestellt ist.

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skysport.de: Die Knappen haben im vergangenen Jahr viele dunkle Momente durchlebt. Wie überraschend ist es für Sie, dass der Verein zwei Spieltage vor Schluss nach dem XXL-Umbruch im Sommer und einer Saison mit vielen Schwankungen nun auf Platz eins steht?

Altintop: Wer Schalke kennt weiß, dass dieser Verein zu allem fähig ist - positiv wie negativ. Deswegen überrascht mich die Tabelle auch nicht. Mit der Arena und diesen fantastischen Fans, die ich ja auch erleben durfte, ist unglaublich viel möglich.

skysport.de: Wie beurteilen Sie die generelle Entwicklung des Vereins?

Altintop: Die Verantwortlichen um Peter Knäbel und Rouven Schröder haben die Situation hervorragend angenommen und machen einen guten Job. Schalke gehört einfach in die Bundesliga, der Aufstieg würde die Entwicklung beschleunigen und vieles vereinfachen. Aber dafür ist noch extrem viel harte Arbeit nötig.

Falls Schalke aufsteigen sollte, muss sich der Klub in der Bundesliga erst einmal wieder etablieren, aber ich finde, das Ziel mit diesem riesigen Potenzial muss in den nächsten zehn Jahren lauten, wieder in die Top-3 zu kommen. Natürlich ist das ein langer Weg, aber das muss Schalkes langfristiges Ziel sein.

Bei seinem Debüt für Schalke im Jahr 2003 erzielte Hamit Altintop zwei Tore im Derby gegen den BVB.
Image: Bei seinem Debüt für Schalke im Jahr 2003 erzielte Hamit Altintop zwei Tore im Derby gegen den BVB.  © Imago

skysport.de: Nach dem Last-Minute-Sieg in Sandhausen herrscht rund um Schalke eine riesengroße Euphorie. Kann das dem Team den entscheidenden Push im Aufstiegsrennen geben oder auch eher belastend wirken?

Altintop: Diese Euphorie, die die Anhänger versprühen, wird das Team beflügeln. Mit den Fans am Wochenende im Rücken wird Schalke zuhause gegen St. Pauli (Samstag ab 20 Uhr live auf Sky) nochmal ein Ausrufezeichen setzen.

skysport.de: Ein wichtiger Fixpunkt bei Schalke ist Top-Torjäger Simon Terodde. Glauben Sie, dass er seine Qualitäten auch in der Bundesliga nachweisen kann?

Altintop: Natürlich! Man muss eine Mannschaft aufbauen, die gefestigt und nicht nur von einem Spieler abhängig ist. Wenn die Bälle dann regelmäßig in den Strafraum kommen, wird Terodde auch in der Bundesliga seine Tore erzielen. Da bin ich mir sicher.

skysport.de: Seit dem Trainerwechsel von Dimitrios Grammozis zu Mike Büskens hat Schalke sechs der vergangenen sieben Spiele gewonnen. Was hat Büskens Ihrer Meinung nach richtig gemacht?

Altintop: Zunächst war es eine Herkulesaufgabe, nach dem Abstieg eine komplett neue Mannschaft zusammenzustellen, die direkt funktioniert. Da hat auch Grammozis seinen Beitrag geleistet. Man sieht, dass die Mannschaft in den vergangenen Monaten von Spiel zu Spiel immer mehr zusammengewachsen ist. Generell ist es für einen Verein immer vorteilhaft, einen Trainer an der Seitenlinie zu haben, der den Verein kennt. Und Büskens verkörpert Schalke wie kein Zweiter. Er war auch schon unter Grammozis als Co-Trainer immer ganz nah an den Jungs dran, dazu kommt seine emotionale Nähe zu den Fans, die meiner Meinung nach auch ein riesiges Plus ist.

skysport.de: Wäre Büskens dann nicht auch der geeignete Trainer für die Zukunft?

Altintop: Fest steht, dass man einen Typen wie Büskens, der den Verein lebt wie kein anderer, immer sehr nah am Klub und an der Führung haben sollte - in welcher Funktion auch immer.

skysport.de: Schalkes ärgster Verfolger ist überraschend der SV Darmstadt 98. Sie haben selbst ein Jahr lang bei den Lilien gespielt. Was macht diesen Verein aus?

Altintop: Es ist ein toller und bescheidender Verein, der vielen Klubs als Vorbild dienen kann. Darmstadt beweist, dass man auch mit geringen finanziellen Möglichkeiten Großes leisten kann. Die Verantwortlichen haben in den vergangenen Jahren auch in die Jugendarbeit investiert und wissen einfach, was sie zu tun haben und wo ihre Grenzen sind. Natürlich sind die Erwartungen dort nicht so riesig und auf Schalke ist der Druck, aufzusteigen, ungleich höher. Dagegen kann Darmstadt sich auf die tagtägliche Arbeit konzentrieren und am Wochenende können sie auch mal verlieren, da ist keiner böse drum.

Im April 2017 traf Hamit Altintop (r., hier im Zweikampf mit Max Meyer) mit Darmstadt auf seinen Ex-Klub Schalke. Die Lilien gewannen überraschend mit 2:1.
Image: Im April 2017 traf Hamit Altintop (r., hier im Zweikampf mit Max Meyer) mit Darmstadt auf seinen Ex-Klub Schalke. Die Lilien gewannen überraschend mit 2:1.  © Imago

skysport.de: Ist die Underdog-Rolle also Darmstadts großer Vorteil im Aufstiegskampf?

Altintop: Absolut. Sie haben die Rolle verinnerlicht und eine erfahrene Führung, die seit Jahren gute Arbeit leistet und die richtigen Entscheidungen bei Trainern und Spielern getroffen hat. Rund um den Verein herrscht eine große Harmonie, die die Jungs befreit aufspielen lässt.

skysport.de: Was glauben Sie, wer macht am Ende das Rennen?

Altintop: Die 2. Liga ist so verrückt in diesem Jahr. Ich würde es Schalke und Darmstadt gönnen, aber Bremen ist auch noch ganz nah dran. Am Ende wird der aufsteigen, der die besseren Nerven behält. Sollte Schalke am Samstagabend sein Heimspiel gewinnen, stehen die Chancen für sie sehr gut.

STIMMT AB!

skysport.de: Nach Ihrem Engagement in Darmstadt haben Sie Ihre Fußballschuhe im Januar 2018 an den Nagel gehängt. Rückblickend: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Karriere?

Altintop: Ich bin dankbar für die Karriere, die ich hatte. Ich habe noch einen guten Draht zu allen meinen Ex-Klubs und habe immer alles gegeben, sei es im Spiel oder Training. Rückblickend war ich mit Sicherheit auch kein einfacher Typ, aber ich war ein Teamplayer und habe immer alles für die Mannschaft gegeben. Ich durfte in Deutschland und international viele Jahre auf dem höchsten Level spielen und habe viele schöne Erinnerungen an diese Zeit. Ich hatte hinter mir Frank Rost, Oliver Kahn und Manuel Neuer als Torhüter - das sagt eigentlich alles. Ich bin dem Fußball sehr dankbar und versuche nun, etwas zurückzugeben.

skysport.de: Seit 2019 sind Sie als Vorstandsmitglied des türkischen Fußball-Verbandes tätig. Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?

Altintop: Ich bin für alle Nationalmannschaften verantwortlich, inklusive der Jugendteams und der Frauenauswahl. Es gibt extrem viel zu tun, beispielsweise haben wir noch große Defizite in der Infrastruktur. Wir schieben Reformen an und arbeiten daran, den türkischen Fußball auf das oberste Level zu heben. Dafür ist es vor allem wichtig, dass wir alle - Nationalmannschaft und Vereine - an einem Strang ziehen. Ich mache das ehrenamtlich, aber das liegt mir sehr am Herzen. Der Fußball hat mir extrem viel gegeben und da sind wir in der Pflicht, mit anzupacken.

skysport.de: Mit Ömer Beyaz (VfB Stuttgart) und Burak Ince (Arminia Bielefeld) haben zwei türkische Top-Talente den Schritt in die Bundesliga gewagt. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?

Altintop: Der Austausch mit den Jungs ist sehr gut. Sie haben in den vergangenen Monaten mitbekommen, was es heißt, Fußballprofi in der Bundesliga zu sein. Sie müssen nun dranbleiben, weiter an sich arbeiten und dann wird sich Qualität auch durchsetzen.

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skysport.de: Würden Sie sich mehr türkische Spieler in der Bundesliga wünschen?

Altintop: Ich wünsche mir vor allem mehr türkische Spieler in den internationalen Top-Ligen und mehr internationale Erfolge der türkischen Vereine.

skysport.de: Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Nationaltrainer Stefan Kuntz?

Altintop: Die Zusammenarbeit läuft sehr positiv. Er will nicht nur mit gestandenen Profis arbeiten, sondern fördert auch unsere Talente. Seine Kommunikation, Offenheit und Bescheidenheit sind sehr wichtig für uns. Er kann sich auf das Wesentliche konzentrieren und ist mit seiner Erfahrung sehr wertvoll für uns.

skysport.de: Wie groß war sein Anteil an der Entscheidung von Salih Özcan pro Türkei? Die beiden kannten sich ja bereits aus ihrer Zeit bei der deutschen U21-Nationalmannschaft …

Altintop: Natürlich hat er durch Gespräche seinen Teil dazu beigetragen, aber letztlich hat das Gesamtpaket den Ausschlag gegeben. Salih lebt kulturell und familiär sehr türkisch und hat in den deutschen U-Mannschaften eine gute Entwicklung genommen. Wenn man dann aber die Chance erhält, für das Land der Eltern zu spielen, dann war das vielmehr seine persönliche Entscheidung.

Hamit Altintop (l.) zusammen mit Stefan Kuntz (r.) bei dessen Präsentation als türkischer Nationaltrainer.
Image: Hamit Altintop (l.) zusammen mit Stefan Kuntz (r.) bei dessen Präsentation als türkischer Nationaltrainer.  © Imago

skysport.de: Wie sehen die kurzfristigen Ziele mit der Türkei aus?

Altintop: Wir wollen unsere Nations-League-Gruppe (Gruppe 1 in Liga C mit Färöer, Litauen & Luxemburg, Anm. d. Red.) gewinnen, unsere Spielweise weiterentwickeln und mit Stefan Kuntz die EM 2024 in Deutschland spielen.

skysport.de: Abschließend noch eine Frage zu Mesut Özil. Mit seinem Wechsel haben sich Fenerbahce und auch die Liga einen positiven Effekt erhofft. Warum hat es letztlich nicht so wie gewünscht funktioniert?

Altintop: Zunächst einmal: Der Wechsel von Özil in die Türkei war gut für die Liga. Mit seiner Spielweise kann er immer den Unterschied machen. Auch in puncto PR hat er viel mitgebracht und ordentliche Spiele gemacht. Eines darf man aber nicht unterschätzen: Das Leben in der Türkei ist anders und die Liga auch.

Mehr zum Autor Robin Schmidt

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