Erstmals seit 1987 hat der FC Bayern keine Transfereinnahmen zu verzeichnen. Die Gründe für die historische Null sind vielschichtig, doch ein Blick zum FC Chelsea zeigt, dass es auch anders geht. Sinnbildlich dafür steht ein U23-Transfer.
Der FC Chelsea hat in der kürzlich beendeten Transferperiode insgesamt 120 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben und trotzdem am Ende ein sattes Plus von etwa 40 Millionen Euro eingeheimst. Der 115-Millionen-Euro-Transfer von Romelu Lukaku wurde damit quasi aus der just gefüllten Transferkasse gezahlt.
Aber haben die Blues durch die Abgänge an Qualität einbüßen müssen? Mitnichten. Denn der Champions-League-Sieger hat ähnlich wie Paris Saint-Germain einen cleveren Weg gefunden, neben den Geldern der Investoren weitere wertvolle Einnahmen zu generieren. Einkünfte, auf die der FC Bayern aktuell nicht zurückgreifen kann.
FC Bayern mit Transferminus
Im Sommer gaben die Münchner 57,5 Millionen Euro für neue Spieler aus, nahmen auf der anderen Seite durch Verkäufe aber keinen einzigen Cent ein. Dabei wären Erträge aus diesem Bereich durchaus willkommen, gerade in den schwierigen Corona-Zeiten, wo die Bayern einen Umsatzverlust von rund 150 Millionen Euro erwarten und besser denn je haushalten müssen. Dabei stellt die vergangene Transferperiode keine Ausnahme dar.
Auch in den vergangenen zehn Jahren hielten sich die Transfererlöse im Vergleich zu den europäischen Konkurrenten in Grenzen. Die Bayern haben im Durchschnitt pro abgegebenen Spieler (Leihen sind hier nicht berücksichtigt) circa 5,8 Millionen Euro Ablöse eingenommen.
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Transfereinnahmen: Bayern abgeschlagen
Zum Vergleich: Der FC Chelsea hat durchschnittlich 10,1 Millionen Euro eingenommen, rechnet man den Mega-Transfer von Eden Hazard (wechselte 2019 für 115 Mio. € zu Real Madrid) noch heraus, dann sind es immer noch neun Millionen Euro.
Überhaupt: In puncto Transfereinnahmen der vergangenen zehn Jahre rangiert der FC Bayern nur auf Platz 38*. Warum aber schaffen sie es nicht, die Einnahmen auf das Top-Niveau der anderen Klubs zu hieven? Die Gründe dafür sind vielschichtig.
Wiederholt sich der Fall Alaba?
Zunächst haben sie in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass sie nicht unbedingt verkaufen müssen, wenn sie nicht wollen. Auch wenn man am Ende Gefahr läuft, Geld zu verlieren. Mit David Alaba ist zum Beispiel ein Spieler ablösefrei gegangen, dessen Marktwert im Juli bei 54 Millionen Euro lag. Dieser Geldregen hätte die Einnahmeseite durchaus aufpoliert.
Eine ähnliche Gefahr droht den Münchnern nach dieser Saison auch bei Niklas Süle oder Corentin Tolisso, sollten keine Vertragsverlängerungen zustande kommen. Auch Jerome Boateng und Javi Martinez, für die es auch 2020 schon einen Markt gegeben hätte, hat man ablösefrei ziehen lassen.
Und dass beispielsweise die Verhandlungen mit Kingsley Coman stocken, dessen Vertrag 2023 erst ausläuft, bewirkt das Gegenteil einer Marktwertsteigerung. Auch hier werden sich die Münchner überlegen müssen, ob sie einen Spieler seines Kalibers nicht lieber 2022 gegen Geld abgeben, sollte sich keine Verlängerung andeuten.
An der Maxime der Vergangenheit, dass der FC Bayern kein Verkaufsklub sei, wolle man künftig nicht bedingungslos festhalten. Die Situation durch die Corona-Pandemie sei "einfach nicht mehr vergleichbar mit der Situation davor", sagte Oliver Kahn kürzlich: "Man muss als Klub eine Philosophie haben und entsprechende Entscheidungen treffen. Bei uns gibt es eben eine Grenze."
Nicht jeder hochpreisige Transfer sitzt
Ein weiterer Grund ist, dass die Bayern - wie auch andere größere Klubs - das Risiko tragen, dass ihre hochpreisigen Transfers sich nicht auszahlen und sie am Ende mit Verlusten verkaufen müssen. Prominente Beispiele sind Renato Sanches, Medhi Benatia und Mario Götze, die für viel Geld verpflichtet wurden und einige Jahre später für deutlich weniger Geld wieder verkauft wurden.
Eine andere Eigenschaft, die beim FC Bayern deutlich ausgeprägter ist als bei so manch anderem Top-Klub, ist, dass die Münchner verdienten Spielern so wenig Steine wie möglich in den Weg legen wollen, wenn diese sich dazu entscheiden, den Verein zu verlassen. Daraus resultieren ebenfalls geringere Ablösesummen bei den Verkäufen wie zum Beispiel bei Thiago (22 Mio. € Ablöse) oder Mario Gomez (15,5 Mio. €).
Bayern wird junge Reservisten nicht los
Dazu bringt sich der deutsche Branchenprimus auch gerne selbst durch das eigene Verhalten in eine schwierige Verhandlungsposition und drückt dadurch die Einnahmen. So wurden Toni Kroos (25 Mio. €) nach einem Disput zu dessen Gehaltswünschen oder Juan Bernat (fünf Mio. €) nach öffentlichen und in der Wortwahl kritischen Äußerungen deutlich unter Wert verkauft.
Und dann sind da noch die jungen Spieler, die sich beim FC Bayern einfach nicht durchsetzen können, aber sich auch bei ihren Leihstationen oder in der zweiten Mannschaft nicht empfehlen, um ihren Marktwert zu steigern. Aktuell sind das zum Beispiel Michael Cuisance, Adrian Fein, Joshua Zirkzee oder Marc Roca. Bayern setzte große Hoffnungen in die begabten Youngster, überzeugen konnte bisher jedoch keiner.
PSG und Chelsea verkaufen junge Spieler am laufenden Band
Dagegen haben es sich Vereine wie Chelsea oder Paris Saint-Germain zum Geschäftsmodell gemacht, junge, talentierte Spieler auszubilden, sie gegen Gebühr zu verleihen und im Anschluss für verhältnismäßig viel Geld weiterzuverkaufen.
Viele dieser Talente haben von vornherein keine Chance, sich in den von Stars nur so platzenden Kadern durchzusetzen. Das Niveau der Leistungszentren ist aber so hoch, dass die Klubs locker Abnehmer in zahlungskräftigen Vereinen finden. Wie bei Marc Guehi, 21 Jahre alt. Der Innenverteidiger aus Chelseas U23-Mannschaft hat nur zwei Pflichtspiele für die Profis absolviert und ist kürzlich für 23 Millionen Euro zu Crystal Palace gewechselt.
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Auch Paris Saint-Germain hat in der Vergangenheit aus jungen Talenten schon ordentlich Kohle geschöpft. Moussa Diaby (15 Mio. €), Christopher Nkunku (13 Mio. €), Jean-Kevin Augustin (16 Mio. €), Timothy Weah (10 Mio. €) oder Yacine Adli (5,5 Mio. €) sind Beispiele für PSG-Talente, die sich nie oder nicht auf Dauer beim Pariser Nobel-Klub durchsetzen konnten und in jungen Jahren für gutes Geld verkauft werden konnten.
Zudem enthalten die Geschäftsmodelle von PSG und Chelsea noch zahlreiche Leihgeschäfte, die immer wieder einstellige Millionenbeträge pro Spieler in die Kasse spülen.
Bayern hat mehr Probleme mit Transferminus
Das schlägt sich dann in Abrechnungen wie der Transferbilanz der vergangenen zehn Jahre wieder. Diese ist zwar nur ein Teil des Großen und Ganzen, kann aber einen wichtigen Einfluss für Klubs wie den FC Bayern haben. PSG, Chelsea, Manchester City und Co. können sich ein negatives Saldo aufgrund externer Zugaben besser leisten. Wenn der FC Bayern aber über zehn Jahre ein Transferminus von 412 Millionen Euro erwirtschaftet, dann macht es den internationalen Konkurrenzkampf nicht leichter.
Mit dem Ende von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge hat beim FC Bayern eine neue Ära begonnen. Man darf gespannt sein, welche Philosophie Oliver Kahn und Herbert Hainer künftig verfolgen werden.
*Zahlen stammen von transfermarkt.de
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