Kingsley Coman avanciert im Champions-League-Finale gegen Paris Saint-Germain zum Matchwinner und sichert dem FC Bayern München nach 2013 das zweite Triple der Vereinsgeschichte. Ausgerechnet der 24-jährige Franzose, dessen Karriere bislang von so vielen Rückschlägen begleitet wurde.
Lissabon. Estadio Da Luz. Champions-League-Finale. Es läuft die 59. Spielminute zwischen Paris Saint-Germain und dem FC Bayern München.
Kingsley Coman schleicht sich im Rücken von Gegenspieler Thilo Kehrer auf der linken Seite des Strafraums davon und köpft die punktgenaue Flanke von Joshua Kimmich zum 1:0 für den deutschen Rekordmeister ein - der entscheidende Treffer zum Triple-Gewinn und der mit Abstand wichtigste der insgesamt 33, die der Franzose im Trikot der Münchner bislang erzielt hat.
Ausgerechnet der "Neue" trifft im Finale
Dabei war im Vorfeld des Endspiels gar nicht klar, ob Coman überhaupt von Beginn an auflaufen wird. Beim Finalturnier im Viertelfinale gegen den FC Barcelona sowie im Halbfinale gegen Olympique Lyon musste sich der Franzose hinter Ivan Perisic anstellen und kam in diesen beiden Spielen letztlich nur auf insgesamt 50 Einsatzminuten.
Für das Finale dachte Trainer Hansi Flick aber um und beorderte den 24-Jährigen in die Startaufstellung. "Er hat natürlich die Qualität und den Speed, eine Abwehr auszuhebeln. Deswegen haben wir uns für ihn entschieden", erklärte Flick seine Entscheidung vor der Partie am Sky Mikro.
Und Coman - ausgerechnet derjenige, der als einzig Neuer in die erste Elf rotierte - zahlte das Vertrauen mit seinem Siegtor zum Triple-Triumph und einer insgesamt starken Performance (Sky Note 1) zurück.
Die Sky Noten der Triple-Sieger zum Durchklicken:
Ausgerechnet das verletzungsanfällige, ewige Talent trifft im Endspiel
Auch die Betrachtung aus einem anderen Blickwinkel fällt in die Kategorie "ausgerechnet". Denn Coman spielt bereits seit fast genau fünf Jahren für den FC Bayern, stand in dieser Zeit aber meist im Schatten der Vereins-Legenden Arjen Robben und Franck Ribery.
Ein Grund dafür war sicherlich auch seine hohe Verletzungsanfälligkeit. Durch seine Spielweise - mit kurzen, schnellen Bewegungen und Richtungswechseln - wurde Coman von Muskelproblemen oder von schwereren Knie- sowie Sprunggelenksverletzungen durch hartes Einsteigen der Gegenspieler zurückgeworfen oder außer Gefecht gesetzt. In seiner Münchner Zeit verpasste der Franzose verletzungsbedingt insgesamt 51 Pflichtspiele.
Es haftete der Ruf des ewigen Talents an ihm, das sein volles Potential nicht ausschöpfen kann. Dieser Status hielt sich auch nach dem Abgang der beiden Routiniers hartnäckig. Coman stand zwar häufiger auf dem Platz, lieferte aber bisweilen nicht die Konstanz und Effektivität eines Serge Gnabry, der auf der anderen Seite der Münchner Flügelzange performte - und besonders in der diesjährigen Champions League größtenteils zur absoluten Gala-Form auflief.
Doch im Finale drehte Coman den Spieß um. Nicht der torgefährliche Gnabry machte in der Offensive von sich reden, sondern ausgerechnet der Rechtsfuß, der mit zunehmender Spieldauer seinen Gegenspieler Kehrer vor große Probleme stellte und seine Leistung mit dem Siegtor krönte.
Ausgerechnet gegen Ex- & Jugend-Klub PSG ist Coman erfolgreich
Einen besonderen Stellenwert erhält der Treffer zudem durch den Gegner. Coman ist nicht nur gebürtiger Pariser, sondern verbrachte bei PSG seine (nahezu) gesamte Zeit im Jugendfußball. Der Durchbruch beim französischen Hauptstadtklub blieb ihm aber verwehrt. Am Ende kam er nur auf vier Pflichtspieleinsätze bei den Profis.
Nun konnte er seinem Ex-Klub zeigen, dass man vielleicht doch auf ihn bauen und ihm länger Zeit hätte lassen sollen. Coman selbst wollte den Erfolg speziell gegen PSG am Sky Mikrofon aber nicht zu hoch bewerten. "Ich wollte natürlich ein gutes Spiel machen, aber das ist nichts gegen Paris. Klar ist es für PSG schade und ich fühle mit ihnen, weil ich aus der Stadt komme."
Vielmehr unterstrich Coman seine Identifikation mit dem FC Bayern. "Ich bin jetzt einfach zu hundert Prozent Bayer und wollte unbedingt gewinnen."
Coman entwickelt sich zum Titelhamster
Gewonnen hat Coman in seiner Karriere bereits einiges. Der 24-Jährige bringt es auf Vereinsebene auf insgesamt 20 Titel in Deutschland, Frankreich, Italien & international - und das in gerade einmal 193 Spielen. Dies ergibt einen Schnitt von 9,7 Partien pro gewonnenem Titel. Ein unfassbarer Wert.
Da Coman das beste Fußballer-Alter noch gar nicht erreicht hat, dürften in seiner Karriere noch einige Titel hinzukommen. Noch in diesem Jahr gibt es mit den Bayern drei weitere Chancen auf Silberware.
Coman: Aus "ausgerechnet" soll "schon wieder" werden
Allerdings gilt es für den Franzosen vorrangig, seinen Platz in Bayerns Startelf dauerhaft zu festigen. Mit Leroy Sane, der für 50 Millionen Euro von Manchester City losgeeist wurde, könnte die Konkurrenz aber kaum namhafter sein. Coman muss sich also wieder einmal beweisen und um seinen Platz kämpfen.
Mit seiner Leistung im wichtigsten Spiel der jüngeren Bayern-Geschichte hat er aber immerhin ein mehr als überzeugendes Statement gesetzt. Kann er diese Form und Effizienz aufrechthalten, heißt es womöglich bald nicht mehr "ausgerechnet" Coman, sondern "schon wieder" Coman.